Vor langer Zeit lebte ein Schneider in einer Stadt des Morgenlandes. Er war ein freigiebiger und fröhlicher Mann und liebte das Leben. Gerne ging er mit seiner Frau durch die Stadt spazieren. Dabei freute er sich an den schönen Gärten und Straßen der Stadt.
Als er eines Tages von einem Spaziergang zurückkam, traf er einen kleinen, buckligen Mann. Es war ein Spaßmacher, und er war lustig und vergnügt, allerdings auch nicht mehr ganz nüchtern. Mit vielen Späßen brachte er die Menschen zum Lachen und vertrieb Kummer und schlechte Laune.
Der Schneider und seine Frau hatten Spaß an seinen Scherzen und lachten über ihn. Dann luden sie ihn ein, mit ihnen zu kommen und bei ihnen in ihrem Haus die Nacht zu verbringen. Der kleine zwergenhafte Mann freute sich über die Einladung und kam mit ihnen.
Da der Schneider nicht viel zu essen zu Hause hatte, ging er schnell noch einmal auf den Markt, um etwas zum Abendessen zu kaufen. Die Läden hatten noch nicht geschlossen, und er kaufte gerösteten Fisch, weiße Brötchen, schöne Zitronen und leckeres Zuckerwerk zum Nachtisch. Damit kehrte er nach Hause zurück und breitete es von seinem Gast aus.
In seinem Übermut steckte der Schneider dem Buckligen einen großen Bissen Fisch in den Mund, hielt dann seinen Mund zu und sagte zu ihm in seinem Übermut: „Bei Allah, diesen Bissen musst du herunter schlucken, und zwar ohne zu kauen. Eher lasse ich deinen Mund nicht wieder los.“
Da begann der Bucklige, zu würden und versuchte, den Bissen herunter zu schlucken. Er zog allerlei Grimassen, und schließlich schaffte er es. Doch in diesem großen Bissen befand sich eine Gräte. Der bucklige Zwerg verschluckte sich daran, begann zu würgen und starb.
Als der Schneider den leblosen Körper vor sich liegen sah, begann er laut zu weinen. „Wehe, was bin ich für ein Narr“, rief er aus. „Wegen mir musste dieser arme Mann auf so unnötige Weise sterben.“ „Es ist nicht zu ändern“, sagte seine Frau. „Rede nicht so viel Unsinn, sondern tue etwas.“
„Was soll ich denn tun?“, fragte der Schneider verzweifelt. „Wickele ihn in ein Tuch und nimm ihn in deine Arme. Ich werde voran gehen in die Nacht. Wenn wir gefragt werden, wohin wir gehen, so sage, dass wir mit diesem Mann zu einem Arzt gehen.“
Und so taten sie es. Der Schneider trug den buckligen Mann auf den Armen durch die Stadt. Seine Frau eilte weinend voran und rief: „Ach, mein armer Sohn, möge Allah dich gegen diese schrecklichen Pocken schützen.“
Während sie so entlang gingen, fragten sie immer wieder nach einem Arzt, bis sie wirklich vor der Tür eines jüdischen Gelehrten und Arztes anhielten. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als hier anzuklopfen und zu warten. Eine Dienerin öffnete die Tür.
„Was wünscht ihr?“, fragte sie. Die Frau des Schneiders antwortete: „Unser Kind ist krank. Nimm diesen Vierteldinar und bitte deinen Gebieter, zu uns heraus zu kommen und unseren Sohn zu untersuchen.“ Da stieg die Dienerin zu ihrem Herrn die Treppe hinauf.
In der Zwischenzeit traten der Schneider und seine Frau in den Vorraum des Hauses. „Leg ihn schnell hier hin und lass uns dann verschwinden“, sagte die Frau. Da legte der Schneider die Leiche des Buckligen auf die untere Stufe der Treppe und eilte mit seiner Frau davon.
In der Zwischenzeit stieg die Dienerin in das Gemach des Arztes und sprach zu ihm: „O Herr, dort unten stehen ein Mann und eine Frau mit ihrem Kind und bitten dich, ihr Kind zu behandeln. Sie lassen dir einen Vierteldinar geben. Es scheint also schlecht um ihn zu stehen.“
Da beeilte sich der Arzt, die Treppe hinunter zu gehen. In seiner Eile nahm er aber kein Licht mit. So kam es, dass er am unteren Ende der Treppe gegen den Körper des Buckligen stieß, der die Stufe hinunter fiel.
Erschrocken bückte sich der Arzt, um ihn zu untersuchen und erkannte sofort, dass er tot war. Da dachte er bei sich, dass er es selbst gewesen war, der den Kleinen getötet hatte. „Bei Allah“, rief er. „Ich bin im Dunklen gegen einen schwerkranken Menschen gestoßen und habe ihn dadurch getötet. Was soll ich nun tun? Wie bringe ich den Toten aus meinem Haus?“
Und in seinem Schrecken lief er zu seiner Frau und erzählte ihr, was sich zugetragen hatte. „Was stehst du hier herum?“, rief seine Frau. „Willst du ihn hier liegen lassen, bis der Tag anbricht? Sie werden dich verhaften, und behaupten, du bist kein Arzt, sondern ein Mörder. Lass uns die Leiche auf das flache Dach bringen, damit die Katzen, Hunde und Geier den Leichnam vertilgen.“
Der Nachbar des Arztes war nämlich Koch, und da er viele Vorräte, wie Öl und Fett auf seinem Dach lagerte, streunten hier viele wilde Tiere herum. Hungrige Geier kreisten auch immer wieder um das Dach.
Der Arzt schüttelte über die Idee seiner Frau den Kopf, doch es fiel ihm auch nichts Besseres ein. Er hatte nur den Wunsch, die Leiche so schnell wie möglich los zu werden. So gingen sie auf das Dach und ließen die Leiche vorsichtig herunter, bis sie schließlich an eine Mauer gelehnt liegen blieb.
Gerade hatten sie dies getan, da kehrte der Koch heim. Er ging über den dunklen Hofplatz. Da sah er an der Ecke eine dunkle Gestalt stehen. „Bei Allah, es sind nicht die Hunde und die Katzen, die meine Vorräte stehlen“, rief er wütend. „Es ist ein Mensch. Na warte, dir werde ich es zeigen.“
Und er nahm einen Stock und schlug damit auf den schweigenden Unbekannten ein, bis er auf den Boden fiel. Dann bückte er sich nach ihm und fasste ihn an. „Bei Allah“, rief er dann. „Er ist tot, und ich habe ihn umgebracht.“ Entsetzt fasste er sich an den Kopf. „Ich bin ein Mörder!“, rief er erschüttert. „Obwohl dich gar nicht so fest geschlagen habe.“