Da ging Ali Baba mit ihr in den Hof und sie führte ihn zu den Krügen und bat ihn, hineinzuschauen. Das tat Ali Baba, und er erschrak zutiefst. „Bei Allah!“, rief er. „Was ist geschehen? Was hast du getan, Mardschana?“
„Freue dich, oh Herr“, entgegnete Mardschana. „Ich habe diesen Mann und seine Räuber getötet und uns allen damit das Leben gerettet.“ Und sie erzählte die ganze Geschichte in allen Einzelheiten. Ali Baba schüttelte sich.
„Oh, welch dunkle Seele musst du in dir haben, schöne Mardschana“, sagte er. „Nicht dunkler als der Strick des Henkers, den sie alle verdienen“, entgegnete Mardschana. „Und vergiss nicht, oh Herr, ich tat es nur für dich.“
„Das weiß ich doch, Mardschana“, entgegnete Ali Baba. „Du bist eine tapfere Gefährtin und eine mutige Frau. Du hast mit deinem Tod an vierzig Räubern unser aller Leben gerettet. Und doch sind auch Menschen gestorben, und das ist auch immer schrecklich, auch wenn es Räuber waren. Und auch wenn es nötig war, sie zu töten und uns zu retten.“
Mardschana nickte und senkte den Kopf. „Ich bin deine Sklavin Herr“, sagte sie. „Und wenn ich etwas Falsches getan habe, bestrafe mich dafür.“ Aber Ali Baba umarmte sie. „Du bist die tapferste und treuste Frau, die ich kenne, Mardschana“, sagte er. Da weinte sie sehr.
Ali Baba betrachtete die Krüge nachdenklich. „Was sollen wir damit tun?“, fragte er. Mardschana fasste sich. „Wir dürfen niemandem davon erzählen“, sagte sie. „So sei es“, sagte Ali Baba. „Wir werden die Esel mit den Krügen in den Wald treiben und die Menschen dort vergraben.
Und wenn uns jemand fragt, was wir tun, so erzählen wir ihm, wir würden die Esel zu dem Fremden bringen, der schon vorausgegangen ist. Und dass wir ihm helfen, weil er überall fremd ist.“ Dabei lachte Ali Baba über seine eigenen Worte.
„Er wird es noch ganz schön mit der Angst bekommen, dieser schreckliche Schurke“, sagte er dann. „Er hat nun seine Kumpanen nicht mehr an seiner Seite.“ „Nun möchte ich dich warnen, nicht zu leichtfertig zu denken“, sagte Mardschana dann. „Wir haben zwar seine Kumpel beseitigt, aber der Mann bleibt doch gefährlich, wie dreizehn Tiger und neununddreißig Krokodile. Wenn er auf dich trifft, wird er dich bestimmt töten.“
„Das kann wohl sein“, entgegnete Ali Baba, „Aber ich werde immer sterben, wenn Allah es möchte.“ „Du sprichst sehr weise, Herr“, sagte Mardschana. „Aber es wäre doch schön, wenn du ein bisschen aufpasst.“
Dann nahmen sie die Esel und trieben sie zur Tür heraus. Sie hatten Glück. Niemand begegnete ihnen. Im Wald gruben sie eine tiefe Grube aus und warfen die Räuber hinein. Dann deckten sie Moos darüber, und man konnte der Erde nicht ansehen, dass sich darunter etwas verbarg.
„Ich werde nun mit den Eseln in die Stadt gehen und sie verkaufen“, schlug Mardschana vor. „Das möchte ich nicht“, entgegnete Ali Baba. „Sie gehören mir nicht und ich möchte mich nicht an ihnen bereichern.“ Das verstand Mardschana. Darum nahmen sie den Eseln das Zaumzeug ab und warfen es in einen Teich. Dann trieben sie die Esel in den Wald.
Zu Hause merkte niemand von den Vorgängen. Der fremde Ölhändler war fort und man dachte, er wäre weiter gereist. Und nach kurzer Zeit vergaß man den fremden Besuch. Nur Mardschana befürchtete die Rache des Fremden und sorgte sich um Ali Baba und seine Familie. Der aber hatte den Vorfall schon vergessen.
Der Räuberhauptmann aber irrte durch den Wald. Er war längst nicht mehr der Alte. Sein Gesicht war bleich geworden und seine Hände zitterten. Immer wieder dachte er an den Vorfall und zitterte dabei vor Wut. Er wusste nur eine Lösung: Er wollte Ali Baba umbringen.
Denn ihm war auch klar, dass Ali Baba das Zauberwort für die Höhle kannte. Und er war sich auch sicher, dass Ali Baba eines Tages wiederkommen würde, um weitere Schätze aus der Höhle zu rauben. Vielleicht würde Ali Baba auch eines Tages in die Höhle kommen, und ihn umbringen.
Solche Gedanken schossen ihm täglich durch den Kopf, während er in seiner Höhle saß und sein Geld und Gold hütete. Da saß er nun voller Wut auf den Feind und überlegte, wie er ihn töten könnte. Und wenn er dabei dachte, wie sein Messer Ali Babas Brust durchstieß, fühlte er Lust und Vergnügen in sich aufsteigen.
Dann aber zwang er sich, seine Rachelust beiseite zu schieben und einen klaren Plan zu schmieden. Erst wollte er Ali Baba töten und danach die Höhle für immer verlassen, um in der Stadt unterzutauchen. Dann wollte er versuchen, eine neue Räuberbande zu gründen, um mit ihnen zusammen neue Kaufleute zu überfallen.
Am nächsten Tag ließ er sich die Haare und den Bart kürzen und färbte sein Gesicht mit braunem Nussöl ein. Dann sah er sich lachend im Spiegel an, und in seinem Gesicht bleckten sich die Zähne.
Jetzt zog er in die Stadt. Er wollte erfahren, wie man über die Räuber sprach. Dabei stellte er sich vor, dass alle die Geschichte von den Räubern schon gehört hatten und die Menschen Ali Baba als den Sieger feierten.
So ging er in eine Wirtschaft, trank ein Bier und fragte den Wirt: „Was sind das für komische Dinge, die man sich hier in eurer Stadt erzählt?“ „Was meinst du?“, fragte der Wirt überrascht. Er überlegte einen Moment lang. „Ach so“, sagte er dann. „Du meinst wohl die Geschichte von dem Banausen, der dem Konditor den Kuchen stahl?“
„Aber nein“, erwiderte der Räuberhauptmann. „Ich meine diese andere Geschichte.“ „Ach, meinst du die Geschichte auf dem Pferdehof, als Omar das Messer zog.“ „Ja, die meine ich“, sagte der Räuberhauptmann, der nun endlich verstanden hatte, dass man die Geschichte von Ali Baba und den Räubern nicht kannte. Nun musste er sich von dem Wirt eine lange und langweilige Geschichte anhören.