„Bruder, wenn du es mir nicht verrätst, werde ich dich bei den Behörden anzeigen“, rief er. „Und wenn du dann auch noch schweigst, werden sie dich wie einen Dieb in den Keller werfen. Und wenn du es ihnen verrätst, werden sie loslaufen, und sich das Geld holen.“
Da kam Ali Babas Frau dazu. Sie hatte das Gespräch mit angehört. „Pfui über dich, Karim“, sagte sie. „Das will ein Bruder sein, der seinen eigenen Bruder bei den Behörden anzeigt.“ „Weiber haben zu schweigen“, empörte sie Karim. „Mit dem Schwerte sollen sie dich erschlagen“, entgegnete Ali Babas Frau voller Verachtung.
Aber Ali Baba hatte nun Angst bekommen und so beschrieb er seinem Bruder den Weg zu der Höhle und nannte ihm das Zauberwort. Karim war von Geld und Gier getrieben. Er ließ zehn Maulesel mit Kisten und Säcken beladen und zog mit ihnen in den Wald.
Dann fand er die Felswand, stellte sich davor und rief: „Sasam öffne dich!“ Das Gold und die Reichtümer, die er nun zu sehen bekam, verschlugen ihm fast die Sprache. Verzückt wühlte er in den Edelsteinen, streichelte den goldenen Schmuck und ließ die goldenen Münzen auf den Boden klirren.
Er wusste nicht, was er sich zuerst nehmen sollte und legte sich bald dieses, bald jenes an die Seite. Schließlich hatte er so viel an die Seite gelegt, wie er auf zehn Maultieren kaum transportieren konnte. Er rieb sich die Hände und drehte sich zur Tür.
„Simsam, öffne dich!“, sagte er. Doch es geschah nichts. Kasim trat der Schweiß auf die Stirn. Verzweifelt versuchte er, sich an das Lösungswort zu erinnern, doch der viele Schmuck hatte sein Gedächtnis verwirrt.
„Samson oder Simson, oder wie auch immer – bitte öffne dich“, rief er unruhig. Doch immer noch schwebte die Felswand nicht zur Seite. Kasim überlegte weiter, versuchte es dann mit „Sisal öffne dich“, und probierte danach alle möglichen Pflanzennamen durch.
„Kichererbse, öffne dich!“ Und dann noch einmal „Lilie, öffne dich“, und weiter „Klatschmohn, geh schon auf!“ aber auch „Gurke, mach die Tür auf!“ Es tat sich nichts. So versuchte er es ein letztes Mal mit „Spinat, öffne dich!“, danach aber sank er ratlos neben die Tür.
In dem Moment vernahm er draußen ein Geräusch. Es hörte sich wie das Klappern von Hufen an. Zur Mittagszeit nämlich waren die Räuber auf dem Weg zur Höhle gewesen und hatten die zehn Maultiere davor vorgefunden. „Räuber!“, rief einer von ihnen. „Man versucht uns zu bestehlen!“
Sofort zog der Räuberhauptmann sein Schwert und sprang vom Pferd. Er sprach die Zauberworte und trat in die Höhle. Nun stand er Kasim direkt gegenüber. Kasim ahnte, dass er verloren war, doch er ergriff seine letzte Rettung, erhob eine Kürbisflasche und ließ sie auf den Kopf des Räuberhauptmannes hernieder fallen.
Grunzend sank der Hauptmann nieder. Doch schon war der nächste Räuber zur Stelle. Wieder schlug Kasim zu und wieder sackte der Räuber zusammen. Nun war der nächste an der Reihe, dann der nächste, dann der nächste. Es war ein Wunder, dass die Kürbisflasche nicht zerbrach.
„Lange halte ich das nicht mehr aus“, dachte Kasim verzweifelt. „Es ist ganz schön anstrengend, vierzig Räuber zu erschlagen. Und gleich wird der Eingang mit zusammen geschlagenen Räubern verstellt sein.“ So entschloss er sich, zu fliehen.
In dem Moment, wo ein weiterer Räuber auf ihn zusprang, stürzte er an der Reihe der Banditen vorbei ins Freie. Der Plan war gut, doch Allah wollte es anders mit seinem Schicksal. Vielleicht lag es daran, dass Ali Babas Frau ihm am Morgen zuvor gewünscht hatte, er solle mit dem Schwerte erschlagen werden. Denn ein großer Räuber trat mit dem Schwert auf ihn zu und schlug ihm mit einem Streich den Kopf ab.
Kasim starb mit den Worten „Sesam öffne dich“ auf den Lippen. Die übrigen Räuber eilten nun zu dem Hauptmann, der immer noch am Boden lag und richteten ihn auf. Er fluchte wie ein Kesselflicker. „Oh Hauptmann, sei froh, ich habe den Räuber erschlagen“, rief der Bandit seinem Hauptmann zu.
Wieder fluchte der Hauptmann. „Hättest du ihn bloß am Leben gelassen“, jammerte er. „Dann könnten wir herausfinden, woher er das Geheimnis mit der Höhle kannte.“ „Ja wirklich“, sagten nun auch die anderen. „Wir hätten ihm auch gerne einen mit der Flasche übergebraten. Dann weiß er mal, was er uns angetan hat. So ein Streich mit dem Schwert geht doch viel zu schnell und schmerzlos.“
Der Hauptmann aber nahm Kasims Leiche, durchsuchte sie und legte sie dann wie eine Warnung neben die Schätze. Dann verließen alle die Höhle, nahmen die Maulesel und ritten in schneller Jagd davon.
Kasims Frau aber wartete in großer Ungeduld auf ihren Mann, und als er nicht kam, schaute sie bei Ali Baba vorbei und teilte ihm ihre große Sorge mit. Der aber tröstete sie und sagte, sein Schwager habe sicherlich nur einen Umweg nach Hause gewählt, um von niemandem bemerkt zu werden. Getröstet ging sie wieder nach Hause.
Doch als ihr Mann auch nach Stunden nicht auftauchte, wurde sie immer unruhiger. „Es ist alles meine Schuld“, jammerte sie. „Warum musste ich ihn nur in diese Sache hinein treiben. Ich war so gierig nach Geld und Reichtum, dass ich sogar Ali Baba und seine Frau schlecht gemacht habe. Nun hat mich Allah sicher dafür bestraft.“ Und sie schlug die Hände vor das Gesicht und wartete weiter voller Angst und Ungeduld.
Als dann der Morgen heran brach, machte sie sich erneut auf den Weg zu Ali Baba und seiner Frau. Voller Angst bat sie ihn, sich auf die Suche nach ihrem Mann zu machen. Ali Baba war sofort dazu bereit. Er nahm einen Esel und machte sich auf den Weg. Doch als er vor der Höhle Spuren sah, die auf einen Kampf hindeuteten, bekam er doch große Angst.