Und wenn die Räuber doch merken, dass ihnen etwas gestohlen wurde, so ist es auch nicht schlimm. So spüren sie, wie es ist, wenn man bestohlen wird. Und sie merken, dass jeder Mensch seinen Raub verliert, wenn er Unrecht dadurch getan hat.“
Er überlegte weiter. „Was ist mit mir?“, dachte er sich. „Wem nehme ich etwas weg?“ Und er kam zu der Einsicht: „Diese Beute kann nur von reichen Menschen kommen. Und denen täte es auch gut, wenn sie uns Armen von ihrem Reichtum abgäben. So schadet es nichts, Diebe zu schädigen. Mir jedenfalls würde ein bisschen Reichtum gut bekommen.“
So beschloss er, nicht allzu viel zu nehmen. Nur einen Sack Goldmünzen nahm er und lud sie auf seinen Esel. Dann legte er Hölzer und Reisig darüber und ging nach Hause zu seiner Frau. Er rief nach ihr, und als sie erschien, schüttete er seinen Sack mit Goldstücken auf den Boden, dass es nur so klirrte. Dabei lachte er laut.
Seine Frau war entsetzt. „Ali Baba, was in Allahs Namen hast du getan?“ rief sie. „Du stehst hier und lachst, wie ein Irrer. Bist du jetzt völlig verrückt geworden? Bist du unter die Räuber gegangen?“
Wieder schüttelt sich Ali Baba vor Lachen. „Genau das bin ich!“, rief er. „Ich bin unter vielen Räubern gewesen und in einer Räuberhöhle.“ „Oh weh“, rief seine Frau verzweifelt. „Was sollen wir tun? Bist du wirklich ein Dieb geworden?“
„Aber nein, meine Liebe, beruhige dich“, rief Ali Baba nun. „Ich bin zwar ein Dieb, aber es ist ein ehrlicher Diebstahl.“ Und dann erzählte er ihr die ganze Geschichte. Seine Frau war ganz außer sich vor Freude und begann sofort, die Goldstücke zu zählen.
„Das lohnt sich nicht, sie zu zählen“, sagte Ali Baba. „Das sind viel zu viele.“ „Aber ich will doch wissen, wie reich wir sind“, rief seine Frau. „Dann besorge eine Waage, damit wir sie wiegen können“, schlug Ali Baba vor. Und als seine Frau loslaufen wollte, eine Waage zu besorgen, rief er ihr nach: „Aber erzähle niemandem von unserem Schatz, hörst du?“
Seine Frau lief zu Ali Babas Schwägerin, der Frau seines Bruders Kasim. „Willst du die große oder die kleine Waage haben?“, erkundigte sie sich. „Die große“, rief Ali Babas Frau, verbesserte sich dann aber schnell und sagte: „Eigentlich ist es ganz egal. Gib mir die, die du übrig hast.“
„Wozu brauchst du die Waage?“, fragte Kasims Frau. „Nur so“, antwortete Ali Babas Frau. Da wurde Kasims Frau sehr neugierig. Heimlich mischte sie eine Mischung aus Wachs und Talg und strich sie unter die Waage, damit etwas unter der Waage hängen bleibt und Ali Baba verraten würde.
Ali Baba bemerkte nichts, nahm die Waage, bedankte sich und ging wieder nach Hause. Zu Hause wog er das Geld. Dann grub er eine Grube im Garten und sang ein Lied dabei. Er war unendlich glücklich über das viele Geld.
Dabei nahm er sich vor, niemandem über die Höhle zu erzählen und sein Geld nur nach und nach auszugeben, damit niemand seinen Reichtum bemerkte. Denn wenn er etwas verriet, würden andere nur etwas davon abhaben wollen oder ihn wie einen Dieb behandeln, und das wollte er nicht.
So vergruben seine Frau und er das Geld, dann ging Ali Baba los, um Wein und Essen für ein schönes Abendessen zu kaufen. Unterdessen brachte seine Frau die Waage zurück. Sie bedankte sich bei Kasims Frau und lief schnell nach Hause.
Dabei bemerkte sie nicht, dass einige kleine Goldmünzen am Wachs der Waage hängen geblieben waren. Karims Frau aber sah es sofort und sie holte ihren Mann. „Schau nur, was sie gewogen haben“, rief sie aufgeregt. „Echtes Gold. Ich aber frage dich, woher haben diese armen Menschen Gold? So viel Gold sogar, dass sie eine Waage brauchen, um es abzuwiegen.“
„So ein Quatsch“, winkte Karim ab. „Viel kann das nicht gewesen sein.“ Doch seine Frau betrachtete die Münzen genauer. „Es sind alte Münzen“, stellte sie fest. „Und darum sind sie von hohem Wert. Ich glaube, Karim, wir haben uns von den beiden blenden lassen. Sie haben uns immer die armen Verwandten vorgespielt, haben sich Kleider ausgeliehen und in Wirklichkeit sieht es ganz anders bei ihnen aus. Das wundert mich im Übrigen nicht. Sie und ihre leichfertige Tochter wackeln nur allzu gern mit ihrem Hinterteil, wenn sie etwas haben wollen.“
„Rede nicht so über meine Familie!“, rief Karim empört. Denn auch wenn er geizig war und manchmal herzlos wirkte, schätzte er doch seine Familie hoch. Doch seine Frau ließ das nicht gelten. „Oh, du Torfkopf, du Elefant an Torheit. Merkst du nicht, was hier gespielt wird? Du zählst dein Geld, dein Bruder aber wiegt es.
Und was hat das zu bedeuten? Ist nicht dein Bruder vielleicht schon zehnmal reicher als du? Und meinst du, er hat das Geld durch Holzhacken und Reisig sammeln bekommen? Vielleicht hat er sich ja längst mit den Räubern und Wegelagerern zusammengeschlossen. Jedenfalls kannst du die Augen nicht davor verschließen, dass er viel Geld hat.“
So redete sie auf ihn ein und schürte sein Misstrauen. In einer schlaflosen Nacht überkam ihn Misstrauen und Neid. Und so machte er sich am nächsten Tag früh auf den Weg zu seinem Bruder und fragte ohne Umschweife: „Ali Baba, ich bitte dich, sage mir die Wahrheit. Du gibst vor, arm zu sein, doch in Wirklichkeit bist du sehr vermögend. Woher hast du deinen Reichtum?“
Ali Baba versuchte, auszuweichen. „Ich weiß nicht, wovon du redest“, sagte er. Doch Karim ließ diese Ausrede nicht gelten und erzählte ihm von dem Trick mit der Waage. Da sah Ali Baba ein, dass er keine Ausrede mehr verwenden konnte und erzählte seinen Bruder unter dem Siegel der Verschwiegenheit von der Höhle und den vierzig Räubern.
Neidisch und mit großen Augen hörte Karim zu. Dann wollte er unbedingt erfahren, wo die Höhle war und wie das Zauberwort lautete, um herein gelassen zu werden. Das aber wollte ihm Ali Baba nicht verraten.