Da lachte der Tischler laut und rief: „Oh nein, das hier ist ein ausgezeichneter Kasten. Du dummer Hund der Wüste! Nun hast du mich endlich einmal kennen gelernt, mich, den Sohn Adams, den du hässlich und schwach findest. Aber meine Hässlichkeit und Schwäche besiegen deine Schönheit, deinen Mut und deine Kraft.“
Nach diesen Worten häufte der Tischler Laub und Äste um den Kasten und steckte ihn in Brand. Ich arme Gans aber musste alles mit ansehen. Der Löwe, der herrliche König der Tiere verbrannte. Er brüllte nicht einmal mehr. Bald war von ihm nur noch ein Häufchen Asche übrig.
Der Sohn Adams aber lachte über seine grausame Tat. Allah sei Dank, dass er mich nicht bemerkte. Lange brauchte ich, bis ich mich von meinem Schrecken erholte. Dann erhob ich mich und flog davon.
Als der Pfau und die Pfauin diese Erzählung hörten, sprach die Pfauin: „Meine arme Schwester beruhige dich! Du bist bei uns in Sicherheit. Bleibe bei uns, wir passen auf dich auf, und Allah wird dir den Frieden wieder schenken.“
Die Gans erwiderte jedoch: „Ich danke euch ganz herzlich. Leider habe ich immer noch Angst.“ Doch der Pfau tröstete sie: „Bedenke doch, du bist auf einer Insel mitten im Meer. Hier bist du vor dem Sohn Adams sicher. Er kann nicht springen und nicht schwimmen. Wir Vögel sind zwar nicht so stark, wie der Löwe oder der Elefant, aber unsere Flügel schützen uns besser als die stärksten Zähne. Darum fürchte dich nicht.
Sollte unser Schicksal es aber anders mit uns meinen, können wir es auch nicht ändern. Niemand kann seinem Schicksal entfliehen, das er zugewiesen bekommt. Doch können wir uns immer damit trösten, dass unsere Seele nicht sterben wird, bevor ihr nicht auch etwas Gutes getan wird.“
So sprach der Pfau, und seine Worte waren sehr weise. Noch während alle darüber nachdachten, waren plötzlich Schritte zu hören und die Zweige begannen zu rauschen.
Das verunsicherte die Gans so sehr, dass sie ihre Flügel weit ausbreitete und zum Meer hinüber flog. Dabei rief sie dem Pfau zu: „Rettet euch, bringt euch in Sicherheit!“
Doch die Zweige teilten sich und eine liebliche Gazelle wurde sichtbar. „Komm zurück!“, rief der Pfau nun der Gans zu. „Es ist nur eine Gazelle.“ Und als die Gans zögerte, fügte die Pfauin hinzu: „Es ist wirklich nur eine Gazelle. Ein liebliches freundliches Wesen, das sich von Pflanzen ernährt.“
Da kam die Gans wieder zurück und wiegte sich, als sie des Weges kam, kokett in den Hüften. Die Gazelle blickte von einem zum anderen und sprach: Es ist das erste Mal, das ich auf diese Insel kam, und ich sah nirgends auf der Welt schönere Pflanzen und größere Früchte. So erlaubt mir, euch Gesellschaft zu leisten.“
„Aber gerne, verehrte Gazelle“, erwiderten die drei. „Hier wirst du ein schönes langes Leben finden.“ So lebten sie alle in Frieden miteinander. Die Pfaue und die Gazelle priesen Allah den Schöpfer für dieses schöne Stück Land. Nur die Gans dankte Allah nicht, sie blieb furchtsam und verbittert seit ihrem schlimmen Erlebnis mit dem Löwen.
Auch lebte sie nicht in Freude, wie es die anderen taten, sondern blieb misstrauisch, träge und unleidlich. Dann aber kam die Stunde, in der Allah der Allmächtige sie für ihre Undankbarkeit strafte.
Eines Tages nämlich wurde ein mastloses Schiff vom Sturm an die Insel getrieben. Die Menschen, die sich auf dem Schiff befanden, retteten sich ans Ufer und eilten auf die Tiere, die Pfaue, die Gans und die Gazelle zu.
Schnell flogen der Pfau und seine Frau auf den obersten Wipfel der Bäume, die Gazelle eilte in großen Sätzen davon. Nur die Gans war zu aufgeregt, um zu flüchten. Sie lief mal hierhin und mal dort hin.
So gelang es den Männern, die Gans einzufangen, und sie wetzten das Messer, um sie zu schlachten. „Ach ich Arme“, klagte die Gans. „Da war ich die ganze Zeit über so vorsichtig, doch ich konnte meinem Schicksal nicht entgehen.“
Der Pfau und seine Frau flogen näher, um zu schauen, wie es der Gans ergangen ist, und da sahen sie, dass sie getötet und gerupft wurde. Da flohen sie zu der Gazelle und erzählten ihr alles, und sie waren froh, in Sicherheit zu sein.
Noch oft dachten sie an die Gans. „Die Ärmste“, sagte die Gazelle. „Was hat sie davon gehabt, dass sie immer so verbittert war. Hätte sie Allah gedankt und das Leben gepriesen, hätte sie die Tage, die Allah ihr schenkte, genießen können.“
„So ist es“, sagte der Pfau. „Darum sollten wir für alles Schöne dankbar sein. Überall auf der Welt gibt es Gefahren, aber sie werden nur größer, wenn wir uns fürchten.“ Sie nickten mit ihren Köpfen, und die Pfauin fügte hinzu: „Möge uns Allah vor den Söhnen Adams bewahren, denn sie sind die wahren Geißel der Erde.“
Und sie tranken gemeinsam aus einer kristallklaren Quelle und ihr Kummer verschwand. Sie freuten sich über das herrliche Wasser, den Wald und die wunderschöne Insel und fanden Frieden.
Das erzählte Scheherazade. Der König fand Gefallen an ihren Tierfabeln und wollte mehr davon hören. Da wagte sie nun, eine Geschichte zu erzählen, die geeignet war, das böse Herz eines Herrschers zu erweichen.
Es war die Geschichte von dem Wolf und dem Fuchs. Mit wohl gesetzten Worten begann Scheherazade die Geschichte vom Tod des Tyrannen.