Es war einmal eine Witwe, die hatte zwei Töchter, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Die eine Tochter war sehr hübsch, ordentlich und fleißig. Die andere Tochter war grottenhässlich und sehr faul. Aber weil die Witwe ihre faule Tochter viel lieber hatte, musste das schöne fleißige Mädchen alle Arbeit im Hause allein verrichten. Die Faule wollte morgens nicht aus dem Bett aufstehen, und auch sonst war das Faulenzen ihre Lieblingsbeschäftigung. Das schöne und fleißige Mädchen saß Tag für Tag am Brunnen, um von morgens bis abends Flachs zu spinnen. Es hatte so viel Arbeit, dass es schon aus den Fingern blutete. Eines Tages war die Spule so blutig geworden, dass das Mädchen diese am Brunnen waschen wollte. Leider fiel ihm dabei die Spule in den Brunnen. Es weinte sehr und lief nach Hause und erzählte der Mutter von seinem Missgeschick. Doch die Mutter war gnadenlos und grausam. Sie tobte und zeterte: „Wenn Du die Spule hast in den Brunnen fallen lassen, so holst Du sie auch wieder heraus!“
Das verzweifelte Mädchen ging zum Brunnen und wusste nicht, was es tun sollte. Da die Situation für das Kind so aussichtslos war, nahm es sich ein Herz und sprang voller Angst in den tiefen Brunnen hinein. Einige Zeit später erwachte das Mädchen aus einer tiefen Ohnmacht. Es fand sich auf einer herrlich duftenden Blumenwiese wieder. Abertausende bunter Blumen leuchteten im strahlenden Sonnenlicht. Das Mädchen raffte sein Röckchen und stand auf. Es fand einen Pfad, auf dem es gehen konnte. Als das Mädchen eine Weile gelaufen war, kam es an einem Backofen vorbei, in dem das Brot backte. Da riefen ihm die Brote zu: „Hole uns schnell aus dem Backofen, sonst werden wir verbrennen. Wir sind doch schon lange ausgebacken!“ Da überlegte das Mädchen nicht lange, nahm den großen Brotschieber und holte jeden Laib vom frischgebackenen Brot einzeln heraus. Es legte die Brote ordentlich nebeneinander auf einen Holztisch.
Als das Mädchen damit fertig war, ging es weiter und gelangte zu einem Apfelbaum, der voller reifer Früchte hing. Da sprach der Apfelbaum: „Ach schüttel mich, ach rüttel mich, meine Äpfel sind alle schon reif geworden!“ Da wusste das Mädchen, das es helfen musste, und schüttelte den Baum so kräftig, dass alle reifen Früchte vom Baum fielen. Als kein einziger Apfel mehr am Baum verblieben war, sammelte das Kind die Äpfel ein und stapelte diese ordentlich auf einen Haufen.
Dann lief das Mädchen weiter, bis es an ein kleines Haus kam. Dort schaute eine alte Frau heraus. Da die Alte so große Zähne hatte, wurde ihm Angst und Bang, und es wollte schnell weiterlaufen. Da rief die alte Frau aus dem Fenster: „Mein liebes Kind, Du sollst Dich nicht fürchten. Wenn Du mir fleißig zur Hand gehst, will ich Dich gut belohnen, denn es soll Dein Schaden nicht sein. Du sollst meine Betten gut machen, aber diese musst Du vorher kräftig ausschütteln. Wenn dabei die Federn ordentlich fliegen, dann schneit es auf der Welt!“ Das Mädchen willigte in das Angebot der alten Frau ein. Es blieb bei der Frau und schüttelte jeden Tag die Betten ordentlich aus, bis die Federn wie tanzende Schneeflocken herumflogen. In den Tagen, die es bei der alten Frau verbrachte, ging es ihm recht gut. Niemals fiel auch nur ein böses Wort. Zum Essen gab es immer etwas herrlich Gesottenes oder Gebratenes.