So riefen die Herolde von Morgens bis zum Abend, aber es wollte Niemand kommen. Unterdessen schaute Wassili Boguslajewitsch aus dem hohen Gemache durch das vergitterte Fenster mit Sehnsucht nach seinen Kameraden umher; aber die Fässer standen unangerührt, und keine Gäste stellten sich ein. Endlich spät gegen Abend erschien Fomuschka der dicke an dem Tore des Schlosses, trat zu den Fässern von Eichenholz, ergriff die schwere goldne Schale, schöpfte sie voll Met und leerte sie auf einen Zug. Als Wassili das sah, eilte er aus dem hohen Gemache auf den geräumigen Hof zu zu Fomuschka dem Dicken, und schlug ihn mit seiner schweren Keule gewaltig hinter das rechte Ohr. Formuschka blieb von dem Schlage unerschüttert, und kaum bewegten sich seine schwarzen krausen Locken. Darüber hüpfte dem Fürstlein das Herz vor Freude. Er nahm den Fomuschka bei der Hand, und führte ihn die hohe Treppe hinauf in sein goldnes Gemach. Hier umhalset er ihn und sie wechselten nun das Ritterwort, immer und ewig Brüder zu sein, für einander zu leben und zu sterben, aus einem Becher zu trinken und aus einer Schüssel zu essen. Darauf nötigte ihn Wassili hinter den Tisch von Eichenholz, setzte ihm Zuckerbrot und Wein vor, und sie aßen und tranken in Lust und Fröhlichkeit.
Am andern Morgen, als Wassili wieder aus dem hohem Gemache durch das vergitterte Fenster schaute, ob sich nicht ein anderer Gast den vollen Fässern näherte, da sah er Bogdanuschka den Kleinen, der zu dem Fass mit Bier trat, das goldene Trinkgeschirr auf die Erde warf, das Fass in die Höhe hob, und es auf einen Zug austrank. Da rief das Fürstlein Fomuschka, und sie eilten auf den Hof an die weiten Tore, und schlugen Bogdanuschka mit ihren schweren Lanzen aus aller Kraft auf den muntern Kopf. Aber die Lanzen zersplitterten, und Bogdanuschka blieb unerschüttert. Da gaben sie ihm die Hand und führte ihn über den geräumigen Hof und die schöne Treppe nach dem goldenen Gemache. Hier umarmten sie sich, und schwuren sich Treue und Bruderliebe bis in den Tod.
Bald erscholl das Gerücht in der Stadt, Wassili Boguslajewitsch habe sich die tapfersten Jünglinge zu Kameraden gewählt und lebe mit ihnen brüderlich. Darüber wurden die Posadniks unruhig, und versammelten sich auf dem Rathause, um darüber Rat zu pflegen. Als sie alle an ihren Plätzen waren, trat der alte kluge Tschudin in die Mitte des Saales, neigte sich gegen alle vier Seiten, und nachdem er seinen schneeweißen Bart einige Mal gestrichen hatte, hub er also an: "Hört mich, ihr Posadniks von Nowgorod, und ihr andern hier versammelten slawischen Männer! Ihr wisset, das unser Land one Fürsten ist, denn Boguslai's Sohn ist noch unmündig, und bis das Herrlein heranwächst und zu reifen Verstande kommt, sind wir die Herren von Nowgorod und seinem Gebiete. Aber dieser Knabe, der dereinst über uns herrschen wird, verspricht nicht viel Gutes. Kaum ist er aus den Jahren der Kindheit getreten, und schon ist sein Wesen bösartig und wild, und selbst seine Belustigungen bestehen in Grausamkeiten. Wie viele Witwen und Waisen hat er nicht durch seine Kurzweil gemacht! Und nun zieht er die mutigsten und tapfersten Jünglinge an sich und lebt mit ihnen brüderlich. Warum tut er das? Hat er dabei wohl gute Absichten? Das müssen wir erfahren. Lasst uns ein Fest anstellen, und das Fürstlein dazu einladen! Da können wir ihn prüfen, wie er gegen uns und das Land gesinnt ist. Wir bringen ihm einen Becher mit Wein zu; trinkt er nicht, so hat er Böses im Sinn, und trinkt er, so plaudert er uns gewiss, was er im Schilde führt, denn im Weine ist Wahrheit. Bemerken wir nun, dass er es nicht gut mit uns und dem Lande meint, so machen wir es kurz, und reißen ihm den Kopf ab. Denn es gibt ja mehrere Fürsten in Russland, aus denen wir einen nach unserm Herzen wählen können; und wäre das nicht, nun Brüder, - so können wir uns auch wohl ohne Fürsten behelfen." -