Es war warm und es war Winter in Deutschland. Definitiv ein Winter wie kein zweiter. Das Wetter wohlig warm und selbst als ein milder Winter war das nun wirklich nicht mehr zu bezeichnen. Viel zu früh erblühten Frühlingsblumen, Vögel zwitscherten und Eis gab es wohl nur in Bechern oder Waffeltüten.
Und wie die Kinder täglich draußen spielten, so ganz ohne Jacke, jedoch mit Freude, so spielte auch Lars mit seinen Freunden ausgelassen im Garten. Er war erst acht und somit ganz und gar nicht in Weihnachtsstimmung, da für ihn viel weniger der Kalender zählte; vielmehr die Weihnachtsstimmung, mitsamt der eisigen Kälte und des Schnees.
So kam nun auch schon bald der erste Advent und die erste Kerze des Weihnachtsgestecks wurde entzündet. Doch auch diese Flamme vermochte es nicht, ein Feuer in des Kindes Augen zu entzünden und so brannte die Kerze vor sich hin, Lars aber, wie auch unzählige andere Menschen, brannte nicht auf Weihnachten.
Tag um Tag verging, Stunde um Stunde verstrich; sechzehn ganze erfüllt von schönstem Sonnenschein pro Tag, um genau zu sein.
Der Adventskalender von Lars blieb unangetastet, Tag für Tag. Jeden Morgen blickte er in der Früh auf das aufgedruckte Motiv, welches eine eingeschneite Hütte zeigte, wobei er dann hoffte, hoffte auf so viel schönen Schnee, um endlich Weihnachten gebührend zu feiern.
So kam auch der zweite Advent und der Heilige Abend rückte näher, Stück für Stück. Dicht gefolgt von den Winterferien, die nun auch begonnen, trotz des Mangels an Weihnachtsvorfreude und Schnee.
Und da war noch mehr, was diese Ferien so mit sich brachten. Denn ein Großteil seiner Freunde machte zusammen mit Ihren Eltern Urlaub an Orten wo Schnee im Dezember kein Fremdwort war.
Doch als ob das nicht genug gewesen wäre, wurde sein heiß geliebter Großvater schwer krank und musste ins städtische Krankenhaus eingewiesen werden und so nahm alles seinen Lauf. Er musste operiert werden; in Kürze. Denn mit seinem Herzen stand es nicht zum Besten!
So vergingen die Minuten nun wie Stunden für die ganze Familie und die Tage schienen endlos zu sein. Aber dennoch kam die OP näher und näher. Angst machte sich breit und griff um sich wie ein Lauffeuer. Angesetzt war sie auf den Donnerstag vor dem dritten Advent und wie es schien würde ihr auch nichts mehr in den Weg kommen. Am Abend vorher wollte Lars seinen Großvater unbedingt noch einmal besuchen, um ihm alles Gute zu wünschen. So tat er es dann auch mit seiner Mutter.
Im Krankenhaus angekommen war er überglücklich und lief direkt zu dem Zimmer, in dem sein Großvater lag, und warf sich bedenkenlos auf dessen Bett. Mutter konnte es kaum fassen, wollte gar losschreien, wegen der mangelnden Rücksichtnahme ihres Sohnes, doch ihre Worte verstummten, als sie die Liebe sah, die diese beiden verband. Denn so hatte sie Ihren Vater noch nie gesehen, mit dem kleinen im Arm und Tränen in den Augen. Ihr Vater hatte Angst, sehr große sogar und doch wich sein Lächeln nicht eine Sekunde. Bis, ja bis beide sich nach Stunden verabschiedeten und gingen. Denn als Lars sich noch mal umdrehte sah er den ernst in seinen Augen, sagte aber nichts um niemand zu verunsichern. Stattdessen betete er zu Gott und hoffte, dass sein Großvater bei ihm und seinen Lieben bleiben würde.
Am Tag der OP dann dauerte es lange, bis er dann doch noch rankam. Und länger noch dauerte die OP an sich, denn es gab Komplikationen. Er kam nicht zurück nach der Vollnarkose. So entwich sein Geist aus seinem leblosen Körper, sah was geschah und sah was er kommen sah. Und flog daraufhin zu seinen Lieben in der Nacht auf den dritten Advent, geschwind wie der Wind und sie spürten es alle, brachen in Tränen aus, noch bevor der Anruf vom Krankenhaus kam, spät des Nachts. Hatten sie bis hierher gehofft, war nun alles verpufft. Träume waren Schäume, Hoffnungen wohl umsonst und Gebete wurden scheinbar nicht erhört.
Tränen flossen nun in Hülle und Fülle, die gesamte Nacht, ganz besonders bei Lars. Denn für ihn war das besonders schwer zu verarbeiten und darum hatte er fortan auch sehr zu kämpfen. Von Erinnerungen überhäuft schlief er kaum noch und weinte sich regelrecht die Augen aus.
Die Beerdigung folgte in Kürze und es gab sogar die Möglichkeit ihn wieder zu sehen, aufgebart, doch das wollte Lars auf keine Fall, um seine Gedanken und Erinnerungen nicht zu trüben. Er wollte auf ewig ganz andere Bilder im Kopf behalten und verabschiedete sich am Grab mit einem unbewussten: "Auf Wiedersehen." Doch nun musste es weitergehen. Die Zeit zumindest lief weiter und weiter und Weihnachten, das Fest der Liebe stand nun kurz bevor. Auch wenn niemandem wegen des Wetters danach war und der Familie noch weniger, wegen dem großen Verlust eines geliebten Familienmitglieds.
Es war nun schon der 22. Dezember und Lars war von Weihnachten so weit entfernt, wie eine weiße Weihnacht von Deutschland. Und so ging dann auch dieser Tag unverändert vorbei, warm wie traurig. Ebenso verging der dreiundzwanzigste langsam aber unverändert. Bis nach einem warmen Weihnachtstag ein ebensolcher Heiligabend folgen sollte.
Die Bescherung fand auch statt wie eh und je mit schwindender Begeisterung und den Gedanken ganz woanders.
Und trotz eines Wetterberichts, der weitere Wärme vorhergesagt hatte, kam dann, was niemand erwartet hatte. Der nächtliche Himmel schickte Schneeflocken in Hülle und Fülle in vollster Pracht und Weihnachten war neugeboren. Ein Lächeln zog sich über Millionen von Gesichtern im Ganzen Land und selbst die drückende Stimmung innerhalb von Lars seiner Familie schwand schnellstens und Lars lief lachend in den Garten um den Schnee zu empfangen und seine Familie folgte ihm auf dem Fuß.
Es zeigte sich ihnen ein klarer Sternenhimmel, dickste Schneeflocken en masse und noch etwas oder eher jemand. Vor Ihnen stand Großvater und er hatte ein Herz aus Schnee in seinen Händen und legte dieses auf den zugeschneiten Brunnen und verschwand in Richtung Himmel und ein neuer Stern ward geboren, hell wie der Nordstern und prachtvoller als jeder andere am Firmament. Verblüfft schauten sie zum Himmel und grüßten in Liebe ihren Großvater als Stern dort oben. Lars senkte dann seinen Blick und griff darauf nach dem Schneeherz, welches sein Großvater formte und es zerfiel zu feinstem Pulverschnee als er es in die Hand nahm. Und darauf erklang die Stimme seines Großvaters, welcher sagte, dass man etwas wie den Geist von Weihnachten nicht von so etwas wie Schnee abhängig machen sollte und dass der wahre Geist in unser aller Herzen liegt, vergraben unter Verstand und Fortschritt.
Diese Nacht war voller Schnee im ganzen Land und ging in die Geschichte ein, da dieser wie aus dem Nichts kam und in den folgenden Jahren war auch ein Weihnachten mit wenig Kälte und weniger Schnee ein vollwertiges Weihnachtsfest mit Großvater im Herzen und dem Gedanken an den eigentlichen Sinn von Weihnachten: Nächstenliebe!