Am Abend saß die Alte auf ihrem gewöhnlichen Platze vor der Tür. Sie war so müde, daß sie kein Glied rühren konnte.
Plötzlich glänzte und leuchtete es vor ihren Augen.
„Was nun?“ rief sie.
„Wir sind es!“ sagten dreizehn dünne Stimmchen. „Wir kommen, um uns zu bedanken und um Lebewohl zu sagen.“
Und den Hügel verließen in langer Reihe dreizehn kleine Rosenkäfer, die sich vor der alten Ameise verneigten und zum Zeichen der Freundschaft die Fühler mit ihr kreuzten.
„Herrgott, seid ihr es!“ rief die Ameise. „Wie hübsch ihr seid! Ich hatte euch in der Verwirrung[S. 227] ganz vergessen. Na, nun wäret ihr so weit! Ja, ihr handelt sehr vernünftig, wenn ihr heute eurer Wege geht. Morgen wird es hier im Hügel unerträglich sein. Glückliche Reise!“
„Schönen Dank!“ sagten die Rosenkäfer. „Vielen Dank für Logis und Kost! Dürfen wir kommen und unsere Eier in den Hügel legen?“
„Ja, das dürft ihr,“ sagte die Ameise. „Ich habe erzählen hören, daß die Menschen sich freuen, wenn der Storch auf ihrem Dache sein Nest baut. Sie glauben, daß ihnen das Glück bringt. Das gleiche glauben wir von den Rosenkäfern... Aber sehen meine alten Augen denn recht... Ich meinte, ihr wäret siebzehn gewesen?“
„Neulich, als wir gar zu hungrig waren, haben wir die vier aufgefressen,“ erzählten die Rosenkäfer.
„Nun ja, das ist der Lauf der Welt,“ meinte die Alte seufzend. „Lebt wohl! Und Gott sei mit euch!“
„O, diese Schmarotzer,“ rief der Buchfink.
„Das sind unsere Gastfreunde,“ erwiderte die alte Ameise.
„Du führst eigentlich ein sonderbares Leben,“ sagte der Buchfink. „Vom Morgen bis zum Abend mußt du dich abrackern für dich und deine vielen Tausend Schwestern. Möchtest du nicht lieber leben wie ich: mit einer lieben kleinen Frau und sechs Kinderchen? und möchtest du nicht lieber ein paar Flügel haben, die dich über den ganzen Wald hintragen könnten?“