Einen Monat später ging es noch emsiger in dem Ameisenhügel zu.
Die Hälfte der Ameisen war in den Wald ausgerückt, um Nahrung herbeizuschaffen. Die andere Hälfte hatte genug damit zu tun, die Jungen, die mit jedem Tage wuchsen und gefräßiger wurden, zu pflegen und zu füttern. Viele von ihnen waren bereits Puppen geworden und aßen nichts, mußten aber unaufhörlich hin und her bewegt, gedreht und gewendet werden; die Larven dagegen schrien den ganzen Tag nach Nahrung.
Die alte Ameise kam selten aus dem Hügel heraus.
Draußen nahm die Arbeit ja sowieso ihren stetigen Verlauf; das Wichtigste war, in den Stuben Ordnung zu halten. Der Hügel reichte doppelt so tief unter die Erde wie darüber; und er bestand aus unendlich vielen Gängen und Kammern.
Aber die alte Ameise irrte sich nie. Sie wußte ganz genau, wo die Larven waren, die Arbeiter werden sollten, wie sie selbst, und wo sich die Larven befanden, die dazu bestimmt waren, Königinnen zu werden, und wo sich die Männchen befanden. Sie sorgte für Ordnung, so daß nicht die geringste Verwirrung oder Störung entstand. Tag und Nacht[S. 221] trippelte sie umher und steckte ihre Nase in alles hinein. Die einzigen, um die sie sich nicht kümmerte, waren die alten Königinnen.
Die riefen fortwährend nach ihr und beklagten sich oder schalten; aber sie tat so, als hörte sie es nicht. Eines Tages befahl sie sogar, daß die dreißig Ameisen, die die Leibwache der Königinnen bildeten, bei der Arbeit im Hügel mithelfen sollten.
Die Königinnen schrien wie besessen:
„Wir sterben vor Hunger! Wir sterben vor Hunger!“
Doch die Alte verbeugte sich bis auf die Erde und erwiderte:
„Wenn Ew. Majestäten vor Hunger zu sterben geruhen, so sterben Ew. Majestäten vor Hunger. Ich kann nichts dafür. Ew. Majestäten haben während Ihrer glorreichen Regierung so viele Eier gelegt, daß der Hügel mit Jungen überfüllt ist, und wir keinen einzigen Mann entbehren können.“
Darauf verneigte sie sich untertänigst. Die Königinnen aber schrien sich tot; und als sie tot waren, da befahl die Alte: