Es waren einmal drei faule Brüder, die man zu keiner Arbeit bringen konnte. Den ganzen lieben Tag trieben sie sich in Wald und Feld umher oder lagen zu Hause auf der Bärenhaut. Sie träumten immer von einem großen Schatz, wußten aber nicht die Stelle, wo er zu finden und auszugraben wäre.
Da führte sie der Weg zufällig zu der alten Schmiedin, die einsam in einem fast verfallenen Häuschen am Rand des Waldes wohnte und als Zauberin bekannt war.
"Schmiedin", sagte der älteste und faulste der Brüder zu ihr, "wir haben gehört, daß du überaus klug bist und Dinge weißt, die anderen Menschen ewig verborgen bleiben. Sei so gut und verrate uns, wo der große Schatz vergraben liegt, von dem die Leute reden. Wir wollen ihn gerne heben."
Die Alte machte ein recht verschmitztes Gesicht und meinte: "Ja, wahrlich, ich weiß viel von dem, was zwischen Himmel und Erde vorgeht, aber wo der große Schatz liegt, ist mir unbekannt. Ich hätt ihn sonst schon selber gehoben! Weil ihr aber zu mir gekommen seid, so will ich euch einen guten Rat geben. Geht in der nächsten Vollmondnacht barfuß und barhaupt, mit leerem Magen und ohne ein Wort miteinander zu sprechen zur Burgruine auf dem Heuberg. Dort versucht euer Glück! Will es 'der Zufall, daß euch der Zwergenkönig erscheint, der im Gemäuer haust, so fragt ihn nach dem Schatz. Nur er weiß das Geheimnis und wird euch vielleicht den Ort verraten."
Die drei Brüder bedankten sich für den guten Rat, verließen die Schmiedin und glaubten, ihr Glück schon gemacht zu haben.
In der nächsten Vollmondnacht schritten sie barfuß und barhaupt, mit leerem Magen und ohne ein Wort miteinander zu sprechen zur Burgruine auf dem Heuberg. Sie setzten sich in einem der verlassenen Gemächer auf eine Steinbank und harrten der kommenden Dinge.
Die Zeit wollte schier nicht verstreichen. Nichts regte sich ringsum, nur der langgezogene Ruf des Käuzchens, das seinen Horst im Turm verlassen hatte, klang geisterhaft durch die Stille.
Da schlug es im Dorf zwölf Uhr. Und alsbald drang aus einer Mauerspalte ein roter Lichtschein, der immer heller und heller wurde und in dem plötzlich, wie aus dem Erdboden hervorgewachsen, der Zwergenkönig stand. Er trug einen langen wallenden Mantel, über den das silberweiße Haar herabfiel. In der Hand hielt er seinen Herrscherstab.
Er blickte zornig auf die drei Brüder und rief: "Ihr Tagediebe, was treibt ihr zur Nachtzeit auf meinem Berg? Wollt ihr, daß ich euch zermalme?"
Da erschraken die Brüder gewaltig und zitterten am ganzen Körper. Nur der jüngste wagte es, dem Zwergenkönig zu antworten. Recht kleinlaut stotterte er: "Herr König, seid nicht böse, wir wollten Euch nur bitten, uns die Stelle zu zeigen, wo der große Schatz liegt. Uns ist jede Arbeit viel zu sauer, und der Schatz würde uns jeder Plage entheben!"
Als der König diese Worte hörte, verfinsterte sich sein Gesicht noch mehr. Nun begannen auch die beiden anderen Brüder zu bitten und zu flehen, bis die Miene des Zwergenkönigs doch freundlicher wurde.
Endlich sprach er: "Ich will euch gerne helfen, doch brauche ich drei Tage dazu. Wenn ihr am vierten Tag wieder hierherkommt und dort grabt, wo ich diese Gerte in den Boden stecke, so werdet ihr in sieben Klafter Tiefe den Schatz finden. Es wird ein Schatz sein, der euch reich, glücklich und zufrieden macht. Obendrein will ich euch für das ganze Leben eine Lehre geben."
Die Brüder sahen noch, wie der Zwergenkönig ein Birkenreis aus dem Mantel hervorholte und es zur Hälfte in den Boden senkte, dann standen sie im Finstern, und der Gnom war verschwunden. Sie gingen nun nach Hause und malten sich schon aus, was sie um das viele Geld, das sie sicherlich heben würden, anschaffen könnten. Der eine nahm sich vor, ein großes Schiff zu kaufen, um die ganze Welt zu bereisen. Der zweite wollte auf dem Heuberg ein prunkvolles Schloß erbauen. Und der dritte wünschte sich gar ein großes Königreich.
Als die drei Tage um waren, stiegen die drei Brüder auf den Heuberg. Mit Spaten und Schaufeln irrten sie lang umher, bis sie die Stelle mit dem Birkenreis fanden. Nun machten sie sich gleich an die Arbeit und gruben und schaufelten die ganze Nacht hindurch. Das war wohl hart und mühsam für sie, da sie doch früher keinen Finger gerührt hatten. Sie strengten sich an und plagten sich, daß ihnen der Schweiß von der Stirn rann. Aber sie ließen nicht locker, und nach etlichen Tagen waren die sieben Klafter bewältigt. In dieser Tiefe stießen sie wirklich auf eine Kiste, und sie riefen jubelnd aus: "Holla, da ist der Schatz. Jetzt gibt es ein herrliches Leben!"
Als sie aber die schwere Kiste mit vieler Mühe und Not heraufgehoben und den eisernen Deckel aufgebrochen hatten, machten sie lange Gesichter und sahen einander enttäuscht und verwundert an. Denn in der Kiste lag nichts als ein gewichtiger Stein, darauf ein langer Stock und ein Blatt Papier, auf dem zu lesen war: "Keinen Schatz, sondern diesen Haslinger verdient ihr, ihr faulen Gesellen, die ihr wohl leben, aber nicht arbeiten wollt! Schämt euch und bessert euch und merket die Wahrheit: In der Arbeit liegt ein großer Segen!"