Es war einmal ein Müller, den nannten die Leute den Lindenmüller, weil seine Mühle vor dem Dorf unter zwei uralten Lindenbäumen stand. Obwohl er sehr reich war, gönnte er sich nichts, weshalb er als arger Geizhals galt.
Mancher, der ihn ärgern wollte, sagte zu ihm: "Nun, Vetter Müllermeister, ich bin neugierig, was du mit deinen Dukaten machst, wenn du einmal in die Ewigkeit mußt!"
"Du kriegst sie nicht!" gab der Müller zur Antwort. "Eher tu ich was anderes damit!" Und dann lächelte er geheimnisvoll.
Als er alt und krank geworden war, wollte er sein Leben nicht mehr länger tragen, legte sich nieder und starb.
Jetzt übernahm sein Sohn, der sein einziges Kind war, die Mühle. Er mahlte fröhlich die Körner zu Mehl und Kleie, aber nach einem Jahr verließ er auf einmal mit Weib und Kind die alte Mühle und bezog eine andere, die weiter unten am Bach stand. Die Leute steckten die Köpfe zusammen und munkelten allerhand, doch ließen sie kein lautes Wort hören.
Da kamen eines schönen Tages drei Wandergesellen daher und legten sich, weil sie müde waren, der Lindenmühle gegenüber im Baumschatten ins Gras. Sie betrachteten das verlassene Haus und wunderten sich, daß niemand darin wohnte, obgleich es doch gut erhalten war.
Gegen Abend kam der junge Lindenmüller des Weges und begann mit den Handwerksburschen zu plaudern. Da fragte einer von ihnen: "Warum wohnt denn niemand in dieser hübschen Mühle?"
Der Lindenmüller zuckte die Schultern und sagte: "Hm - das ist so eine eigene Geschichte, von der ich nicht gern rede!"
"Vielleicht könnten wir darin übernachten?" meinte der Wandersbursch. "Wir brauchen eine billige Herberge, denn das Geld ist rar bei uns."
"Hm!" sagte der Müller. "Da würde euch bis morgen kein Zahn mehr weh tun."
Darauf erwiderten die drei Gesellen: "Wir haben, Gott sei Dank, heut' kein Zahnweh! Auch sind wir mutig genug, um es im schlimmsten Fall mit dem Teufel aufzunehmen."
"Nun", sagte der Müller, "wenn's so steht, könnt ihr von mir aus dableiben. Aber wenn euch etwas geschieht, habe ich keine Schuld. Gewarnt seid ihr - es geht nämlich in der Mühle nicht mit rechten Dingen zu."
Da lachten die Gesellen und gingen vergnügt in die verrufene Mühle, denn sie waren vernünftig und kannten keine Furcht. Sie aßen Brot und tranken Wasser dazu und legten sich dann schlafen.
Als am nächsten Morgen die Sonne in die Stube schien, standen sie auf und schauten ausgeschlafen und fröhlich zum Fenster hinaus. Da kam der Lindenmüller und rief verwundert: "Potztausend! Ihr lebt noch?"
"Warum sollten wir denn schon gestorben sein?" fragten die Burschen. "Wir haben herrlich geschlafen und bedanken uns schön für das gute Nachtlager."
Der Müller schüttelte den Kopf und sagte zu sich: "Sollte es am Ende nur die schwarze Katze sein?"
"Ja", sagte der jüngste Wanderbursch, "eine schwarze Katze ist eine Zeitlang herumgesprungen. Der hab ich aber ordentlich heimgeleuchtet mit meinem Stock da! Sonst ist nichts geschehen. Aber einen dummen Traum hab ich gehabt. Hört nur: Mir hat geträumt, daß alle Mühlräder gegangen sind. Das war ein Saus und Gebraus! Auf einmal sprang die Haustür krachend auf, und ein alter Mann kam herein. Er war auf einen Stock gestützt, hatte eine Zipfelmütze auf und sah aus wie ein Müller. Eine Weile humpelte er in der Stube hin und her, dabei blickte er so scheu um sich, als ob er sich fürchte. Zuletzt hob er einen Türstock heraus. Unter der Schwelle stand ein eiserner Topf, bis an den Rand voller Goldstücke. Der Alte begann zu zählen: eins, zwei, drei und so weiter bis tausend. Als er wahrnahm, daß kein Dukaten fehlte, stöhnte er schmerzvoll, wie einer, den es auf der Brust schwer drückt. Dann sagte er: "Oh,
wenn nur einmal wer kommen und die Dukaten mitnehmen tat, daß ich endlich erlöst war von meiner Qual und in meinem Grab Ruh und Frieden finden könnt !" In diesem Augenblick wurde ich wach und schaute umher, wo der Müller sei. Aber ich konnte nichts sehen und hören, nur der Mond schien hell durch das Fenster."
"Nun", rief der Lindenmüller, "der Traum ist nicht übel. Wenn wir nur wüßten, unter welchem Türstock die Goldstücke liegen, so könnten wir dem alten Müller den Gefallen schon erweisen und ihn erlösen. Dann wäre uns und ihm geholfen. Was meint ihr, Burschen, was da zu tun ist?"
"Haha!" lachte einer, "ich hab immer sagen hören: Wer suchet, der findet. Also suchen wir, vielleicht ist uns das Glück hold und wir finden die gelben Vögel."
Jetzt holte der Müllermeister ein Stemmeisen und fing an, einen Türstock nach dem andern aus dem Gemäuer zu heben. Dabei plagte er sich so, daß er über und über schwitzte. Aber die Mühe war ihm nicht zu groß. Er gab nicht nach, bis er zuletzt zur Kellertür kam.
"Wenn es hier auch nicht ist", sagte er, "dann können wir wieder gehen."
Als er aber mit dem Stemmeisen auf die Türschwelle stieß, klang es hohl. "Ei", sagte er, "mir scheint, jetzt haben wir es!"
Richtig - nachdem er den Türstock herausgehoben hatte, sahen sie einen eisernen Topf im Erdreich, bis an den Rand mit Dukaten gefüllt.
"Nun also", sagte der Müller, "da hätten wir den Schatz!" Und er hob den schweren Topf mit den funkelnden Goldstücken heraus. Dann sagte er zu den Wanderburschen: "Ihr habt mir zu diesem Schatz verhelfen, so sollt ihr auch einen ordentlichen Lohn haben!" Und er gab jedem eine Handvoll Dukaten.
Darauf sagten die drei Gesellen: "Ja, das ist recht schön und gut, und wir bedanken uns fleißig. Aber wir hätten noch eine Bitte, die Ihr vielleicht gewähren könnt. Seid so gut und nehmt uns als Müllerburschen in Dienst, denn wir sind alle drei gelernte Müller und rechtschaffene Gesellen!"
"Wenn es sonst nichts ist!" sagte der Müller. "Das kann gern geschehen !"
Und die drei Burschen standen bei ihm ein, blieben viele Jahre bei ihm und arbeiteten fleißig, wie es sich für gesunde, starke Gesellen schickt. Möglich, daß sie noch dort sind, wenn sie nicht etwa wieder weitergewandert oder gar schon gestorben sind.