"Camelot, ich kann mich nicht erinnern, dass es hier einen solchen Ort gibt. Das kann nur der Name der Irrenanstalt sein", sagte ich zu mir.
Die sommerliche Landschaft war sanft und friedlich. Die Luft erfüllt vom Duft der Blumen, vom Summen der Insekten und Zwitschern der Vögel. Die Straße verlassen.
Auf einmal kam uns ein hübsches Mädchen mit einem wunderschönen Kostüm entgegen. Auf dem Kopf trug es einen Kranz aus Mohnblumen. Mit weit aufgesperrtem Mund starrte sie mich ängstlich an. Es war mir unbegreiflich, dass sie vor mir, anstatt vor dem Mann erschrak. Darauf konnte ich mir keinen Reim machen.
Als wir uns der Stadt näherten, zeigten sich die ersten Anzeichen von Leben. Die Häuser waren armselige Hütten mit Strohdächern. Die Männer hatten zottelige lange Haare und die Frauen trugen Kleider aus grobem Leinen. Die Jungen und Mädchen waren alle nackt, was keinen zu stören schien.
Aus der Ferne erklang Marschmusik und bald wand sich ein prächtiger Reiterzug an uns vorbei. Es war ein großartiger Anblick: gefiederte Helme, glänzende Rüstungen, flatternde Banner. Wir folgten dem Zug als Nachhut.
Sobald sich mir die Gelegenheit bot, schlüpfte ich beiseite, fasste einen alten, gewöhnlich aussehenden Mann und fragte ihn überaus freundlich:
"Freund, sagen Sie mir. Gehören Sie auch zu der Irrenanstalt, oder sind Sie nur Besucher?"
Der Mann musterte mich mit dümmlicher Miene und sagte:
"Fürwahr, edler Mann, mich dünkt …"
"Das genügt!", sagte ich. Er konnte nur ein Patient sein.
Nachdenklich ging ich weiter, immer Ausschau haltend nach einem Menschen, der bei Verstand wäre. Ein Junge mit einer orangeroten Strumpfhose, die ihm das Aussehen einer gegabelten Mohrrübe verlieh, stach mir ins Auge. Er war ein hübscher Bengel mit langen blonden Haaren und kam lachend auf mich zu. Dabei musterte er mich von oben bis unten und meinte, er habe Befehl mich zu holen.
Ich ging mit ihm, was hätte ich auch tun sollen und der Junge begann auf unbekümmerte Weise zu sprechen und zu lachen, als seien wir alte Freunde. Beiläufig erwähnte er, dass er zu Beginn des Jahres 513 geboren sei.
Ein Schauder erfasste mich. Ich blieb stehen und sagte mit schwacher Stimme:
"Habe ich dich richtig verstanden? Du bist im Jahr 513 geboren. Sei aufrichtig. Bis du bei Verstand?"
Er sagte, das sei er.
"Wenn das hier kein Irrenhaus ist, sag mir, wo bin ich dann?"
"Am Hofe des Königs Artus."
Ich wartete einen Moment, bis ich seine Worte halbwegs begriffen hatte, und fragte dann:
"Welches Jahr haben wir?"
"Das Jahr 528 - heute ist der 19. Juni."
Mir wurde schwer ums Herz, denn ich begriff, dass ich meine Freunde nie wiedersehen würde. Sie kämen erst in mehr als 1300 Jahren zur Welt. Ich glaubte dem Jungen, keine Ahnung warum. Aber mein Verstand brauchte Beweise. Da fiel mir etwas Geniales ein. Ich wusste, dass die einzige totale Sonnenfinsternis in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts am 21. Juni drei Minuten vor zwölf Uhr angefangen hatte. Außerdem wusste ich, dass in dem Jahr, in dem ich mich eigentlich zu befinden glaubte, keine Sonnenfinsternis stattfinden sollte. Ich musste mich nur achtundvierzig Stunden gedulden, dann hatte ich Klarheit.
Jedes Ding zu seiner Zeit, ist mein Wahlspruch - und immer hoch reizen, auch wenn man nur zwei Paare und einen Buben auf der Hand hat. Ich nahm mir zwei Dinge vor: Sollte ich noch im 19. Jahrhundert und damit in einer Irrenanstalt sein, aus der mir keine Flucht gelänge, würde ich dieses Haus in kürzester Zeit kommandieren.
Wäre ich jedoch im 6. Jahrhundert, auch gut, innerhalb drei Monate würde es mir gelingen, an der Spitze des gesamten Landes zu stehen. Schließlich hatte ich selbst zum gebildetsten Mann des Landes einen Vorsprung von 1300 Jahren.
"Mein Junge, kannst du mir erklären, wer der Mann war, der mich herbrachte. Außerdem nenne mir deinen Namen."
"Ich heiße Clarence und unser beider Herr ist der gute Ritter Lord Sir Kay, der Milchbruder unseres Königs. Sobald er sein Mahl beendet hat, wird er euch vor König Artus und die berühmten Ritter der Tafelrunde führen lassen. Hört auf meinen Rat, und last Sir Kay seine Geschichte erzählen, auch wenn er dabei maßlos übertreiben sollte. Es ist nicht ungefährlich, ihm ins Wort zu fallen. Ich werde euch im Kerker besuchen und dafür Sorgen, dass ihr euren Freunden Nachrichten schicken könnt."
Meinen Freunden Nachrichten geben! Der gute Junge hatte ja keine Ahnung. Da kam bereits ein Diener und brachte mich in einen ziemlich kahlen Saal. Entlang der Wände standen Bewaffnete mit Brustplatten und Hellebarden. Inmitten eines von einem Kreuzgewölbe überdachten Platzes stand ein Tisch aus Eichenholz, den sie die Tafelrunde nannten. Er war so groß wie eine Zirkusmanege.
Drum herum saßen in leuchtenden Farben gekleidete Männer, deren Hauptbeschäftigung es war, aus Ochsenhörnern zu trinken, und an Rinderknochen zu nagen.
Mir fiel auf, dass ich nicht der einzige Gefangene im Saal war. Mit mir standen zwanzig arme Teufel da, die von der Folter gezeichnet waren.
Die Ritter der Tafelrunde führten hauptsächlich Monologe, in denen sie von Abenteuern erzählten, die sie angeblich selbst erlebt hatten. Einen nannten sie Sir Galahad, einen anderen Sir Lanzelot vom See. Als Sir Kay, dessen Gefangener ich war, an der Reihe war, musste ich mit anhören, in welch gefährlichem Kampf gegen ein ganzes Bataillon er mich zu seinem Gefangenen gemacht hatte.
Meine Kleidung bezeichnete er als Zauberkleidung, gegen die er durch sein Gebet die Oberhand behielt. In einer dreistündigen Schlacht hatte er meine dreizehn Ritter und mich besiegt, wobei er nur mich vom Tod verschont habe, um König Artus die Wahl meines Todes zu überlassen.
Clarence erwiderte nur spöttisch: "Hätte Sir Kay noch mehr Wein getrunken, hätte sich die Anzahl seiner Gegner mindestens verdoppelt."
Ich beobachtete, wie sich innerhalb weniger Sekunden sein Blick von Spott auf Qual veränderte. Ein alter weißbärtiger Mann mit einem fließenden schwarzen Gewand hatte sich erhoben.
"Bei Gott, nun werden wir sie wieder hören - diese alten, ermüdenden Geschichten. Guter Freund, weckt mich zum Abendgebet." Mit diesen Worten schmiegte sich der Junge an meine Schulter und gab vor einzuschlafen.
"Wer ist das?"
"Merlin, der mächtige Lügner und Zauberer. Möge er in der Hölle schmoren für die Langeweile, die er mit seinen Geschichten verbreitet", grummelte Clarence mit geschlossenen Augen.
Der alte Mann begann seine Geschichte und kurz darauf schlief beinahe der gesamte Hof. Für mich, der ich dieses kuriose Lügenmärchen zum ersten Mal hörte, war es hübsch anzuhören. Nachdem er geendet hatte, wachten alle wieder auf und es entbrannte unter den Rittern ein Streit darum, wie man meine Wenigkeit am besten umbringen sollte. Sie waren so beunruhigt über meine verzauberten Kleider, dass sie äußerst erleichtert waren, als endlich der alte Merlin mit einer gesunden Portion Menschenverstand die Schwierigkeiten aus dem Weg räumte.
Er schlug vor, mich auszuziehen und eine halbe Minute später stand ich nackt wie ein Säugling vor ihnen. Schließlich wurde ich in die eine und meine gefährliche Kleidung in die andere Richtung fortgeschleppt. Sie stießen mich in eine enge Kerkerzelle mit fauligem Stroh und unzähligen Ratten als Gesellschaft.