Der erste Tag am Golf von Dyea erschien Buck wie ein böser Traum. Jede Stunde brachte neue Schrecken. Vorbei war sein Leben in Sonnenschein und Üppigkeit. Hier war er mitten in der Wildnis.
Solche Hunde, wie hier in Scharen herumliefen, hatte er noch nie gesehen. Das waren wilde Tiere, so wie Wölfe! Nie hätte er solche Kämpfe für möglich gehalten, wie er sie hier sah! Unvergesslich blieb ihm der Tag, an dem er zum ersten Mal einen solchen Kampf sah. In ihm musste Zottel sterben.
Ganz plötzlich war ein Köter auf den zu gesprungen, der Zottel mit seinen großen Zähnen eine Wunde vom Auge bis zum Kiefer riss. Immer mehr von diesen Kötern kamen und stellten sich im Kreis um die Kämpfer auf. Zottel kämpfte mutig, aber schließlich versetzte ihm der andere einen Stoß, von dem er das Gleichgewicht verlor, zu Boden stürzte und nicht wieder aufstand.
In diesem Augenblick stürzten sich die anderen Köter mit furchtbarem Geheul blitzschnell auf ihn. Die Männer kamen mit Stöcken herbei und trieben die Hunde auseinander, aber von Zottel war nicht mehr übrig als eine blutige Masse im weißen zertrampelten Schnee. Förmlich in Stücke gerissen hatten sie ihn.
Diesen Anblick vergaß Buck nie wieder. Selbst im Traum erschien ihm das grausige Bild. So also ging es hier zu! Er musste zusehen, dass ihm das nicht einmal passierte. Hass zog in sein Herz ein. Spitz, der Hund, der auf Zottel losgegangen war, wurde sein Todfeind.
Noch bevor sich Buck von diesem Schrecken erholt hatte, traf ihn ein neuer. Francois, einer der Männer und sein neuer Herr, kam mit Riemen und Seilen, wie sie Pferde trugen. Und so wie diese schirrte man auch ihn an und spannte ihn mit anderen Hunden vor einen Schlitten.
So wurde aus ihm ein Arbeitstier, das Holz vom Walde holen musste. Es kränkte ihn im tiefsten Herzen, aber seine Klugheit sagte ihm, dass er sich dagegen nicht auflehnen durfte. Francois war ein strenger Herr, der unbedingten Gehorsam verlangte.
Buck lernte sehr schnell, wie man sich als Schlittenhund zu verhalten hat, und sein Herr sprach gut über ihn.
In dieser Nacht litt Buck zum ersten Mal an Schlaflosigkeit. Das Zelt der Männer wurde von einem Feuer matt erleuchtet und lag friedlich und einladend mitten in der weißen Ebene. Buck hielt es für selbstverständlich, sich dort gemütlich zur Nachtruhe niederzulassen, aber er wurde von Francois und Perrault mit Flüchen und Schimpfwörtern hinausgetrieben. Ein scharfer Wind blies, und er wusste nicht, wo er bleiben sollte.
Still legte er sich in den Schnee und versuchte zu schlafen, aber die Kälte war zu groß. Zitternd vor Frost, elend und müde schlich er an den anderen Zelten vorüber. Dann und wann fuhr wütend ein Hund auf ihn los, aber er sträubte sein Rückenhaar und knurrte so grimmig, dass er unbehelligt blieb.
Schließlich entdeckte er, wie die anderen Hunde die Nacht verbrachten. Sie hatten sich unter der Schneedecke vergraben! Wieder hatte Buck etwas Neues gelernt. Mit Eifer grub auch er sich ein tiefes Loch, schlüpfte hinein, rollte sich zusammen, und als die Wärme seines Körpers den kleinen Raum ausgefüllt hatte, schlief er fest ein.
Als er am Morgen erwachte und aus dem tiefen Schnee sprang, der in der Nacht noch auf ihn gefallen war, freute sich Francois wieder, wie schnell er auch das gelernt hatte. Perrault war Bote der kanadischen Regierung, und auch er freute sich, wenn ihm gute Hunde den Dienst erleichterten.
Neun Hunde gehörten nun zu dem Schlittengespann, dem Buck zugeordnet wurde. Als alle angeschirrt waren, ging die Fahrt zum Dyea Canon los. Die neue Arbeit war schwer, aber sie gefiel ihm. Passierten ihm im Verlauf des Tages Fehler, erhielt er einen kleinen Biss von den erfahrenen Hunden oder einen Schlag mit der Peitsche des Herrn.
Sie hatten an diesem Tag einen langen Weg über vereiste Steine und lockeren Schnee hinweg bis zum Lager am Bennetsee zurückgelegt. Hier warteten Hunderte von Goldsuchern, bis die Frühlingssonne die dicke Eisdecke schmelzen würde.
An den nächsten Tagen kamen sie unterschiedlich schnell voran. Meist ging Perrault mit großen, sehr breiten Schneeschuhen voran, um den lockeren Schnee ein wenig festzustampfen. Francois ging neben dem Schlitten her und steuerte ihn.
Tag für Tag war Buck in den Strängen. Jeden Tag tat er die gleiche Arbeit. Noch ehe der Morgen graute, wurde das Zelt abgebrochen und am Ende des Tages bei anbrechender Nacht wieder aufgebaut. Dazwischen waren sie weiter nordwärts gelaufen, und Buck war stets halb ausgehungert. Seine anderthalb Pfund Fisch verzehrte er wie nichts. Steter Hunger quälte ihn.
Es dauerte nur kurze Zeit, und Buck hatte seinen ganzen Stolz verloren. Er merkte, dass ihm gutes Benehmen hier nichts half. Also schlang er sein Futter ebenso gierig wie die anderen herunter, denn sonst stahlen diese es ihm. Sein Hunger war so groß, dass auch er sich bald am Futter der übrigen Hunde vergriff. Als er einmal beobachtete, wie ein Hund ein Stück Speck aus einem der Zelte stahl, versuchte er das auch. Eine ganze Speckseite erbeutete er dabei, und trotz des Aufruhrs, der deshalb im Lager entstand, gelang es ihm, unbemerkt damit zu entkommen. So passte er sich den neuen Lebensverhältnissen an.
Bucks Muskeln wurden hart wie Eisen und unempfindlich gegen Schmerzen. Er vertrug alles Fressen. Das Gehör bildete sich immer mehr aus, so dass er sogar im Schlaf beim geringsten Geräusch unterscheiden konnte, ob es etwas Gutes oder Böses bedeutete. Er lernte, mit den Vorderpfoten die Eisschicht zu zerstampfen, die sich über dem Trinkwasser gebildet hatte, und mit seiner Nase die Windrichtung im Voraus zu bestimmen. Dadurch grub er sein Schlafloch immer so, dass ihn kein Sturmwind stören konnte.
Aber auch alte Hundeinstinkte, die über Generationen geschlummert hatten, wurden in ihm wieder wach. Es fiel ihm nicht schwer, nach Art der Wölfe zu kämpfen oder ein Stück Wild zu Tode zu hetzen.