Ein großes Haus im sonnenhellen Tal von Santa Clara war Bucks Heimat. Es lag halb versteckt hinter mächtigen Bäumen etwas abseits der Landstraße. Hinter dem Haus befanden sich die großen Stallungen, die grün umrankten Wohnungen der Diener, Treibhäuser, Obstgärten und daran anschließend unendliche Weiden. Außerdem gab es noch den großen Brunnen und den Teich, in dem die Söhne des Pflanzers gern badeten.
Über dieses ganze Reich herrschte Buck. Hier war er geboren, und hier hatte er die vier Jahre seines Lebens verbracht. Im Hause von Millers Farm lebten noch andere Hunde - zum Beispiel Tutt, der dicke Mops, und Bella, der weiße Zwergpinscher. Es gab auch noch eine ganze freche Bande Terrier und andere Hunde, die kamen und gingen, in Ställen wohnten und sich herumtrieben.
Buck war weder Stuben- noch Hofhund, sein war das ganze Reich. Er schwamm mit den Söhnen des Pflanzers im Teich, ging zur Jagd mit ihnen und begleitete Mollie und Alice, die beiden Töchter, durch Wald und Feld. An langen Winterabenden lag er vor dem lodernden Kaminfeuer zu Füßen seines Herrn, ließ dessen Enkel auf seinem Rücken reiten, tobte mit ihnen auf dem Rasen und behütete ihre kleinen Schritte bei der Erkundung von Ställen, Park und Obstgarten.
Bucks Vater Elmo, ein riesenhafter Bernhardiner, war schon der unzertrennliche Freund des Pflanzers gewesen, und nun war er an seine Stelle aufgerückt. Da seine Mutter Flocke eine schottische Schäferhündin war, war er nicht so groß wie sein Vater, aber er benahm sich sehr würdevoll und schritt erhobenen Hauptes stolz den weißen Kiesweg dahin.
Dass er trotz seines Lebens im Überfluss kein verweichlichter Haushund wurde, dafür sorgte vor allem die Jagd. Er hatte einen starken Körper und kräftige Muskeln.
So stand es mit Buck im Jahre 1897, als die großen Goldfunde in Klondike Tausende von Menschen aus allen Gegenden der Welt in den Norden riefen. Er wusste nicht, dass ihm und allen Hunden mit starken Knochen und langen, dichten Haaren dadurch Unheil drohte. Da es dort oben bitter kalt war, brauchte man solche Hunde für die Arbeit.
Gefahr lauerte für Buck durch Manuel, den Gärtnergehilfen, der eine schlimme Leidenschaft hatte - er spielte. Zum Spiel brauchte er Geld, viel Geld, oft mehr als den Lohn eines Gärtnergehilfen.
Eines Abends, als sein Herr zu einer Versammlung war, rief Manuel Buck zu sich. Niemand sah und hörte es. Buck dachte, es wäre ein Abendspaziergang, als er mit ihm durch die Felder davon ging. Unbemerkt von anderen Menschen trat ein Mann aus dem Schatten des kleinen Bahnhofsgebäudes, wechselte einige Worte mit Manuel und gleich darauf klapperte Geld in seiner Hand. Dann zog Manuel einen dicken Strick aus der Tasche und legte ihn als Schlinge um den Hals des Hundes.
"Brauchst nur ein bisschen anzuziehen, dann wird ihm die Puste schon ausgehen", sagte er und lachte.
Mit ruhiger Würde hatte Buck bisher alles über sich ergehen lassen, obwohl es nicht angenehm war, einen Strick angelegt zu bekommen. Er wusste aber aus Erfahrung, dass alles, was die Menschen tun, einen Zweck hat, auch wenn ihm dieser nicht immer ganz klar war. Als aber Manuel die Enden des Strickes dem Fremden in die Hand gab, knurrte er. Da spürte er einen Druck im Hals, der ihm fast den Atem nahm. Mit einem Wutlaut stürzte er sich auf den Fremden, aber ein Ruck an der Leine ließ seine Zähne scharf über der Zunge zusammenschlagen, und ein weiterer Ruck warf ihn zu Boden. Er zog und zerrte vergebens. Immer fester legte sich die Schlinge um seinen Hals.
Nie in seinem Leben war er so behandelt worden, und nie hatte er eine solche Wut in sich gefühlt. Vor seinen Augen begann es zu tanzen, in seinen Ohren brauste es, und seine Sinne schwanden. Er merkte nicht, wie etwas Dunkles über ihn geworfen wurde und man ihn in den Gepäckwagen des Zuges schob.
Das Erste, was ihm zu Bewusstsein kam, war ein Gefühl des Schmerzes an seiner Zunge und ein Rütteln, das durch seinen Körper ging. Der schrille Pfiff einer Lokomotive sagte ihm, wo er sich befand, denn er war oft genug mit seinem Herrn gereist. Langsam öffnete er die Augen und sah um sich. In diesem Augenblick griff der Mann, der neben ihm stand, nach den Enden des Strickes. Er war aber nicht schnell genug um zu verhindern, dass sich die Zähne des Hundes tief in seine ausgestreckte Hand eingruben. Dann aber verließen Buck wieder die Sinne.
Der Mann erzählte dem Gepäckmeister, der durch den Lärm aufmerksam geworden war, dass der Hund Krämpfe hätte und er ihn deshalb zu einem Tierarzt bringen wolle. Darauf half dieser ihm, Buck in einen käfigartigen Verschlag zu stoßen und den Strick von seinem Hals zu lösen.
So lag Buck nun Stunde für Stunde, die ganze lange Nacht mit stillem Zorn und schwer verletzter Ehre. Er konnte sich nicht denken, was das alles zu bedeuten hatte. Was wollten die fremden Leute nur von ihm? Was sollte er hier in diesem Käfig?
Jedes Mal, wenn die große Schiebetür des Wagens kreischte, sprang er auf und dachte, dass nun sein Herr hereinkommen würde. Aber immer war es nur der Schaffner, und Bucks Freudengeheul verwandelte sich zu einem immer heftigeren Knurren.
Als der Morgen graute, hielt der Zug. Vier roh und verwildert aussehende Männer kamen herein. Er bellte sie wütend an, aber sie lachten nur, steckten Stöcke durch den Holzverschlag und stießen und schlugen ihn damit, bis er die Knüppel mit den Zähnen erfasst und in Stücke gebissen hatte.
Bald aber merkte er, dass es gerade das war, was sie ergötzte. Da legte er sich still hin und schloss die Augen. Die Männer fassten den Verschlag und trugen ihn in einen anderen Zug, der wieder viele Stunden dahin sauste.
Als es wieder Abend wurde, brachte man ihn auf ein Fährboot, das über einen Fluss fuhr und dann noch einmal in den Gepäckwagen eines Schnellzuges. Die dortigen Beamten neckten ihn, miauten wie Katzen, bellten wie die gewöhnlichsten Köter, klatschten in die Hände und pfiffen in den höchsten Tönen. Er wusste, dass er sich darüber nicht ärgern sollte, aber er fühlte sich in seiner Ehre gekränkt, und seine Wut stieg von Stunde zu Stunde. Sein einziger Trost war, dass er keinen Strick mehr tragen musste. Wenn ihm nun jemand in den Weg käme, würde er sich seiner Haut wehren!
Zwei Tage hatte er keinen Bissen gegessen. Das war für ihn nicht weiter schlimm, aber der Durst quälte ihn. Der ständige Ärger hatte ihn fieberhaft erregt, und die Schmerzen an Zunge und Hals wurden immer stärker. Seine Augen waren blutunterlaufen, und er sah so verändert aus, dass ihn selbst sein Herr nicht wieder erkannt hätte.
Am dritten Tag wurde er in Seattle ausgeladen. Auf einem Rollwagen wurde er durch enge Straßen bis auf einen kleinen Hof gefahren, der von hohen Mauern umgeben war. Ein dicker Mann nahm ihn in Empfang. Bucks Rückenhaar sträubte sich vor Wut, und mit aller Kraft rüttelte er an den Latten seines Käfigs. Der Mann lachte höhnisch und holte ein Beil und einen Knüppel herbei.
"Er soll doch nicht etwa jetzt raus?", fragte einer der Männer, die ihn gebracht hatten.
"Natürlich!", antwortete der Dicke und hieb mit der Axt auf die Latten.
Die anderen Männer rannten nach allen Seiten davon, flüchteten auf die hohe Mauer und warteten neugierig auf das kommende Schauspiel.
Fast wahnsinnig vor Wut schlug der Hund seine Zähne in das absplitternde Holz. Endlich erschien ihm die Öffnung so groß, dass sein Körper hindurchpassen, und er sich auf den Mann stürzen könnte.
"Nun komm schon, du rotäugiger Satan!", rief dieser, warf die Axt fort und ergriff den Stock.
Ja, der Hund sah wirklich wie ein Satan aus, wie er sich mit blutunterlaufenen Augen und schäumendem Maule mit aller Macht durch den schmalen Spalt drängte und sich mit seiner ganzen Wut auf seinen Widersacher stürzte. Als er gerade die mächtigen Zähne in den Hals des Mannes schlagen wollte, traf ihn ein kräftiger Schlag. Er taumelte zurück und begriff nicht, was geschehen war. Mit einem furchtbaren Geheul sprang er wieder auf die Füße, um erneut auf den Mann loszugehen.
Noch mehrere Versuche startete er, aber immer wieder traf ihn die Wucht des Stockes. Nach einem besonders harten Schlag sprang er nicht mehr auf. Nur mühsam erhob er sich auf die Vorderpfoten. Er zitterte am ganzen Körper, das Blut kam ihm aus Nase und Mund. Trotzdem erhob der Rote wieder den Knüppel, um ihn mit furchtbarer Wucht auf die Nase des Tiers fallen zu lassen. Er sah nichts mehr, und doch raffte er alle seine Kraft zusammen, um sich mit löwenartigem Gebrüll gegen seinen Feind zu werfen. Doch dieser erfasste den Hund mit beiden Händen am Unterkiefer, schleuderte ihn hin und her, bis er schließlich bewusstlos am Boden liegen blieb. Die Männer auf der Mauer johlten vor Bewunderung.
Buck erlangte die Besinnung bald wieder, aber nicht die Kraft. Er blieb regungslos liegen, nur seine Augen folgten dem Mann mit der roten Jacke. Dieser las einen Brief. "Hört auf den Namen Buck", murmelte er.
"Also, Buck, alter Junge", sagte er dann freundlich. "Lassen wir es nun mit dem Kämpfen genug sein. Du weißt jetzt, woran du bist!"
Dann strich er furchtlos über den Kopf des Hundes, auf den er gerade noch eingeschlagen hatte. Bucks Haare sträubten sich unwillkürlich unter der Berührung, aber er blieb still liegen. Als der Mann einen Napf voll Wasser brachte, trank er ihn bis zum letzten Tropfen leer. Auch eine Mahlzeit Fleisch nahm er dankbar aus der Hand seines Peinigers entgegen. Er spürte, dass das Leben jetzt ernster für ihn werden würde, und er machte sich mit all seiner Klugheit darauf gefasst, es mutig mit ihm aufzunehmen.
Die Tage kamen und gingen, und immer mehr Hunde erschienen in dem kleinen Hof, manche in Käfigen, andere an Leinen oder Ketten. Alle erhielten von dem roten Mann mit seinem Knüppel die gleiche Lehre. Ihm musste man gehorchen.
Dann und wann kamen fremde Leute, die mit dem Mann sprachen. Nach einer Weile klapperte Geld, und einer der Hunde wurde fortgeführt. Buck hatte Angst vor der Zukunft, denn er versprach sich von ihr nichts Gutes.
Eines Tages kam ein kleiner untersetzter Mann mit verschrumpeltem Gesicht. Buck konnte seine Sprache fast nicht verstehen. "Teifel, Teifel!", rief er erregt, als seine Augen auf Buck fielen. "Das ist eine verflucht feine Tier! Was kostet das?"
"Dreihundert und ein Trinkgeld", war die Antwort des Roten.
Perrault, ein Kanadier, war damit einverstanden. Er kannte sich mit Hunden aus und hatte sofort gesehen, dass dieser etwas Besonderes war. Geld klapperte, und Buck und Zottel, ein gutmütiger Neufundländer, wurden von dem kleinen Mann hinausgeführt.
Er brachte sie auf einen großen Dampfer, von dessen Verdeck er zum letzten Mal den sonnigen Süden sah. Perrault führte die Hunde hinunter ins Zwischendeck, wo noch mehr Hunde waren. Manche von ihnen waren hinterhältig, andere kümmerten sich nicht um die übrigen Hunde.
Tag und Nacht arbeiteten die Maschinen, und Buck kam es so vor, als ob die Luft kälter und rauer würde. Eines Morgens aber verstummte der Lärm der Maschinen. Eine merkwürdige Aufregung machte sich im ganzen Schiff bemerkbar.
Als Buck vom Schiff gebracht wurde, spürte er, wie seine Füße in einer weißen, lockeren Masse versanken, die ihm unbekannt war. Erschrocken sprang er zurück. Auch vom Himmel fiel solch weißes Zeug herab. Er schnupperte neugierig daran herum und steckte vorsichtig die Zunge hinein und sah, wie es plötzlich verschwand. Er konnte das nicht begreifen, denn Schnee war ihm unbekannt.