In dieser Nacht träumte Tom schlecht. Viermal hielt er den Schatz in Händen und viermal zerrann er wieder ins Nichts, bis Tom schweißgebadet aufwachte. Fast schien es, als hätte er das ganze Abenteuer nur geträumt. Er musste sich Gewissheit verschaffen.
Gleich nach dem Frühstück ging er zu Huck. Der saß traurig in einem kleinen Boot am Fluss und ließ die Beine ins Wasser baumeln. Tom beschloss zu warten, bis Huck von der Sache zu reden anfing. Tat er es nicht, dann war alles wirklich ein Traum gewesen.
Doch Huck begann schon bald zu erzählen, dass er eine ganz schreckliche Nacht hinter sich hätte. Der spanische Teufel hätte ihn bis in den Schlaf verfolgt… Tom war erleichtert, weil nun klar war, dass das Abenteuer in Wirklichkeit stattgefunden hatte.
"Wir müssen den Spanier finden. Ihn und das Geld!", sagte Tom.
Doch Huck war pessimistisch. Er glaubte nicht an eine zweite Chance. Außerdem zitterten ihm die Knie schon vorweg.
Doch Tom blieb dabei. Sie wollten es zuerst in den Gasthäusern versuchen. "Du bleibst hier, Huck. Ich gehe!" Tom war im Nu verschwunden.
Eine halbe Stunde später war er schon zurück. Er hatte im zweiten Gasthof etwas Verdächtiges entdeckt. Da war ein Zimmer vermietet, das ständig verschlossen sei. Der Sohn des Wirts berichtete, dass tagsüber noch nie jemand herausgekommen oder hineingegangen war. Bloß nachts ein paar Mal. In der vergangenen Nacht, zum Beispiel, hätte Licht gebrannt.
"Was willst du jetzt tun?", fragte Huck.
"Nachdenken." Nach einigen Minuten erklärte Tom sein vorhaben. Er wollte sich so viele Schlüssel wie möglich besorgen, damit sie vielleicht die verschlossene Zimmertür öffnen könnten. Huck sollte derweil nach Indianer-Joe Ausschau halten, wenn es sein musste, sogar verfolgen. Huck nickte, obwohl er fürchterliche Angst vor diesem Verbrecher hatte. Aber bei Nacht würde er es schon schaffen.
Als die Nacht hereinbrach, trieben sich Tom und Huck in der Nähe des Gasthauses herum. Bald zog die Nacht auf und Tom beschloss, sicherheitshalber nach Hause zu gehen. Huck blieb bis Mitternacht, dann zog er sich zum Schlafen in ein altes, leeres Zuckerfass zurück.
An den nächsten Abenden hatten die Jungen immer dasselbe Pech: Es war zu hell. Erst am Donnerstag sah es für ihr Unternehmen besser aus. Tom kletterte aus dem Fenster, ausgerüstet mit der alten Blechlaterne seiner Tante und einem Handtuch, um sie abzublenden. Die Wache konnte beginnen. Eine Stunde vor Mitternacht schloss das Wirtshaus und kurz darauf erloschen die Lichter. Die stille Nacht wurde nur durch ein fernes Donnergrollen unterbrochen.
Tom zündete die Laterne an, wickelte das Handtuch darum und schlich zum Gasthaus. Huck hielt Wache. Für ihn begann eine endlose Wartezeit voller Angst. In seiner Unruhe näherte er sich immer mehr der Gaststätte. Plötzlich schoss Tom wie ein Lichtblitz durch die Finsternis auf ihn zu. "Lauf!", schrie er. "Lauf um dein Leben!"
Huck spurtete los, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Erst als die Beiden das Schlachthaus am anderen Ende des Ortes erreicht hatten, hielten sie schwer atmend an. Sie konnten gerade noch unter das schützende Dach eines Schuppens flüchten, als ein Unwetter losbrach.
Es dauerte eine ganze Weile, bis die beiden sich unterhalten konnten. Tom erzählte, wie er bereits nach dem zweiten Versuch mit dem Schlüssel bemerkt hatte, dass er nur den Türknauf zu drehen brauchte. "Die Tür war offen!", sagte er. "Ich gehe also rein, mache das Handtuch von der Laterne ab - da trifft mich fast der Schlag!"
"Wieso?"
"Ich wäre fast auf Indianer-Joes Hand gestiegen! Er lag da mitten auf dem Fußboden und schlief tief und fest. Er hat sich zum Glück nicht gerührt. Vermutlich war er stinkbesoffen, da standen einige leere Flaschen rum. Ich bin nur noch davongerannt!"
"Toll! An das Handtuch hätte ich nicht gedacht.", sagte Huck.
"Ich schon! Was meinst du, was Tante Polly gesagt hätte, wenn es gefehlt hätte!"
"Sag Tom, hast du die Kiste gesehen?"
"Nein, ich bin ja gleich weggerannt. Wir probieren es noch einmal, aber erst, wenn wir ganz sicher sind, dass Indianer-Joe nicht drin ist. Wenn wir nachts Wache schieben, dann sehen wir ihn bestimmt mal weggehen. Und dann schlagen wir zu und holen die Kiste."
"Einverstanden, ich übernehme gerne die Wachen, wenn du den Rest erledigst", bot Huck an.
"Mach ich. Wir treffen uns am Abend wie immer. Du miaust unter meinem Fenster."
"Okay."
"Du, es hat aufgehört zu regnen. Ich geh jetzt nach Hause. Es wird in zwei Stunden hell. Gehst du noch mal zurück und wachst?"
"Logisch. Ich hab gesagt, dass ich es mache, und wenn es ein Jahr lang dauert. Dann schlafe ich eben tagsüber."
"Und du holst mich, sobald was los ist?"
"Ja, Ehrenwort."