»Und du glaubst an diese Flausen? . . .« rief Vater Goriot. »Er ist ein Schauspieler! Ich kenne die Deutschen in Geschäften: Sie sind fast alle ehrlich und aufrichtig. Aber wenn sie einmal unter der Maske der Offenheit und Gutmütigkeit den Schlaukopf und Betrüger zu spielen beginnen, so sind sie schlimmer als alle anderen. Dein Gatte führt dich hinters Licht. Er fühlt sich in die Enge getrieben, und jetzt stellt er sich tot. Er will lieber in deinem Namen Herr seines Vermögens bleiben als in seinem eigenen. Er will die Lage gut ausnutzen, um sich alle Chancen für sein Geschäft zu sichern. Er ist ebenso schlau wie hinterlistig, er ist ein böser Bursche. Nein, nein, ich werde mich nicht zum Père Lachaise hinaustragen lassen, wenn meine Töchter in der größten Not sind. Ich verstehe noch etwas von Geschäften. Er hat, wie er sagt, seine Werte in Unternehmungen angelegt. Nun, dann müssen seine Rechte durch Schuldverschreibungen oder Wechsel anerkannt sein! Mag er sie vorzeigen und mit dir abrechnen! Wir werden uns die besten Spekulationen aussuchen, wir werden in die Verträge eintreten; und wir lassen uns Titel auf den Namen ›Delphine Goriot, Gattin des Barons de Nücingen, mit ihm in Gütertrennung lebend‹, ausstellen. Hält er uns etwa für Dummköpfe? Glaubt er, ich könnte zwei Tage den Gedanken ertragen, daß du ohne Vermögen, ohne Brot bist? Nicht einen Tag, nicht eine Nacht, nicht zwei Stunden würde ich das aushalten. Wenn das Wahrheit würde, würde ich es nicht überleben. Das wäre noch schöner! Vierzig Jahre meines Lebens habe ich gearbeitet, habe Säcke auf meinem Rücken geschleppt. Ströme Schweißes habe ich vergossen, mein ganzes Leben habe ich mich geschunden für euch, meine Engel, die ihr mir jede Arbeit, jede Last leicht machtet! Und heute soll mein Vermögen, mein ganzes Leben in Rauch aufgehen! Vor Wut darüber würde ich sterben. Bei allem, was im Himmel und auf Erden heilig ist, wir werden das klarstellen, wir werden die Bücher, die Kasse und die Unternehmungen prüfen! Ich will nicht eher schlafen und essen, bevor nicht feststeht, daß dein Vermögen intakt ist. Gott sei Dank hast du die Gütertrennung erreicht und hast Derville, einen ehrlichen Mann, zum Anwalt. Du sollst deine hübsche kleine Million, deine fünfzigtausend Francs Rente bis an das Ende deiner Tage haben, oder ich mache einen Lärm in Paris, ah! ah! An das Parlament würde ich mich wenden, wenn die Gerichte uns übervorteilen. Wenn du wegen des Geldes ruhig und glücklich sein könntest, so wären alle meine Leiden geheilt und all mein Kummer gestillt. Das Geld ist das Leben. Geld macht alles. Was erzählt er uns da, der grobe Klotz von einem Elsässer? Delphine, laß ihm nicht einen viertel Heller nach, er, der dich an die Kette gelegt und dich unglücklich gemacht hat, dieses dicke Vieh! Wenn er dich braucht, so werden wir ihn vornehmen, und wir werden ihn kleinkriegen. Mein Gott, mein Kopf glüht mir, es ist, als hätte ich Feuer im Schädel. Meine Delphine liegt auf der Straße! Oh! Meine Fifine, du! Zum Henker, wo sind meine Handschuhe? Komm, wir wollen gehen, ich will alles sehen, die Bücher, die Papiere, die Kasse, die Korrespondenz, sofort! Ich bin erst ruhig, wenn ich weiß, daß dein Vermögen außer Gefahr ist, wenn ich es mit eigenen Augen sehe.«