Vautrin, der diese letzten Worte mit einem rinforzando seiner Baßstimme gesprochen hatte, schielte blinzelnd auf Fräulein Taillefer, um mit diesem Blick an die verführerischen Vorschläge zu erinnern, mit denen er das Herz des Studenten zu verderben versucht hatte. Mehrere Tage vergingen, während denen Rastignac sich nur den Zerstreuungen widmete. Er dinierte fast alle Tage bei Madame de Nücingen und begleitete sie dann in Gesellschaften. Er kam um drei oder vier Uhr morgens nach Hause, stand mittags auf, um Toilette zu machen, und spazierte dann bei schönem Wetter mit Delphine im Bois. So vergeudete er seine Zeit, deren Wert er nicht kannte, um die Lehren und Verführungen des Luxus mit tiefer Begierde in sich aufzunehmen. Er spielte hoch, verlor oder gewann viel, und gewöhnte sich schließlich an dieses ausschweifende Leben der jungen Leute von Paris. Von seinen ersten Spielgewinnen hatte er, verbunden mit hübschen Geschenken, seiner Mutter und seinen Schwestern die 1500 Francs zurückgesandt. Obwohl er angekündigt hatte, das Haus Vauquer verlassen zu wollen, befand er sich noch in den ersten Tagen des Januar in der Pension und wußte nicht, wie er ausziehen konnte. Die jungen Leute sind fast alle einem scheinbar unerklärlichen Gesetz unterworfen, das indessen aus ihrer Jugend und aus der Gier, mit der sie sich auf das Vergnügen stürzen, herzuleiten ist. Ob sie reich oder arm sind, nie haben sie Geld für ihre notwendigsten Bedürfnisse, während sie immer etwas zur Befriedigung ihrer Launen auftreiben. Verschwenderisch mit allem, was auf Kredit zu erhalten ist, knausern sie mit Dingen, die man auf der Stelle bezahlen muß. Sie scheinen sich an dem, was sie nicht haben, zu rächen, indem sie mit dem, was sie haben können, verschwenderisch umgehen. So geht ein Student, um die Dinge beim Namen zu nennen, mit seinem Hut sorgsamer um als mit seiner Kleidung. Da der Schneider mit enormen Gewinnsätzen rechnet, gibt er Kredit, während der Huthändler, der dies angesichts des geringfügigen Preises seiner Ware nicht tun kann, für den Studenten, der zu verhandeln gezwungen ist, eines der am schwierigsten zu behandelnden Lebewesen darstellt. Wenn die Lorgnette einer Schönen bei dem jungen Mann auf dem Balkon eines Theaters eine blendende Weste entdeckt, so ist es zweifelhaft, wie es um seine Strümpfe steht, denn auch der Wäschehändler nagt an seiner Börse. Mit Rastignac war es nicht anders gekommen. Seine Börse war stets leer für Madame Vauquer, immer gefüllt für die Forderungen der Eitelkeit. Sie kannte Gezeiten von Glück und Unglück, die indessen nie mit den dringendsten Zahlungen in Einklang zu bringen waren. Um die übelriechende, unwürdige Pension verlassen zu können, in der seine Ansprüche an das Leben immer wieder erniedrigt wurden, mußte er eine Monatsmiete an seine Wirtin zahlen und überdies Möbel für sein Dandy-Appartement kaufen! Das war stets unmöglich. Wohl verstand es Rastignac, für teures Geld von seinem Spielgewinne Uhren und goldene Ketten beim Juwelier zu kaufen, die er dann wieder zum Leihhaus, diesem düsteren, diskreten Freund der Jugend, trug, um spielen zu können. Aber er war ohne Mut und ohne Einfälle, wenn es sich darum handelte, für seine Nahrung und seine Wohnung zu zahlen oder die notwendige Ausstattung zur Führung eines eleganten Lebens zu erwerben. Gewöhnliche Notlagen, Schulden zur Deckung der dringendsten Bedürfnisse wirkten nicht mehr auf ihn ein. Wie die meisten Menschen, die dieses Leben in den Tag hinein führen, wartete er bis zum letzten Moment, um Schulden, die in den Augen der Bürger heilig sind, zu bezahlen. So bezahlte Mirabeau seine Brotrechnung auch nur, wenn sie ihm in der zwingenden Form eines Wechsels vorgelegt wurde. –