Das Rätsel von Devonshire: Mysteriöse Spuren im Schnee! Die Fährte des Teufels? Schwindel? Massenhysterie? Oder ein aus einer Menagerie entlaufenes Känguru? Autor: Thomas Grasberger
Der bairische Mensch hat es schon gut. Will er zum Beispiel wissen, welche Spuren der Leibhaftige hinterlässt, dann geht er einfach in die Münchner Frauenkirche und schaut nach. Dort nämlich hat der Teufel einst aus Wut über den Kirchenbau – so sagt man – einen Fußabdruck in den Boden gestampft. Diesen Abdruck kann man im Eingangsbereich des Doms genau inspizieren und im Zweifelsfall mit anderen vergleichen.
Dem Teufel auf der Spur
Solch ein Privileg hatten die Menschen der englischen Grafschaft Devon natürlich nicht. Als sie am Morgen des 9. Februar 1855 die Türen ihrer Bauernhäuser öffneten, blickten sie auf eine weiße Landschaft. Es hatte kräftig geschneit in der Nacht zuvor. Was kein Wunder war, in jenem außerordentlich strengen Winter. Ungewöhnlich waren nur die Spuren im Schnee. Seltsame Spuren – nicht vom Tier, nicht vom Menschen! Eher wie von einem gespaltenen Huf. Fünf bis sechs Zentimeter breit – alle zwanzig Zentimeter einer. Ganz regelmäßig, so weit das Auge reichte. Und noch viel weiter. Denn die geheimnisvollen Zeichen tauchten an jenem Wintertag in mehr als 30 südenglischen Ortschaften auf. 160 Kilometer weit zog sich die Fährte über Wiesen und Felder, ja sogar über Hausdächer, Zäune und Steinmauern hinweg. Was mochte das wohl gewesen sein?, fragte sich das fromme Bauernvolk erschrocken und bekreuzigte sich. Panik machte sich breit im südlichen Devon. Schnell kursierte die vermeintlich plausibelste Erklärung, nämlich das Gerücht, der Teufel höchstselbst sei in der Grafschaft unterwegs. Wehrhaft und wild entschlossen griffen die Dörfler zu den Waffen und zogen los. Vergeblich. Unverrichteter Dinge mussten sie wieder heimkehren und abwarten. Doch der Vorfall wiederholte sich nicht. Dafür machten allerlei Theorien die Runde. Dachse und Fischotter wurden als Täter verdächtigt. Oder auch Waldmäuse, die auf Nahrungssuche durch den Schnee gehüpft sein könnten.
Empirik statt Fake News
Endgültig gelöst wurde das Rätsel nie. Was wiederum die Teufelstheorie befeuerte; und so mancher Theologe auf der Kanzel dürfte dazu kräftig gepustet haben.
Dabei hätte doch ein einziger Blick nach Baiern gereicht, um zu erfahren: Teufelsspuren schaun fei anders aus!
Aber die Segnungen des Fremdenverkehrs waren halt damals noch rar. Wohl kaum ein Bauer aus Devon dürfte je die Stadt München erblickt haben, geschweige denn den Teufelsabruck in der Frauenkirche. Man könnte also sagen: Die empirisch fundierte vergleichende Teufelsabdruck-Forschung steckte damals noch in den, nun ja, äh, Kinderschuhen. Solche intellektuellen Defizite aber rächen sich zu allen Zeiten, denn sie führen stets zu wildesten Spekulationen. Und zu so genannten Fake-News, wie man heute sagen würde. Dass solche bewusst gestreuten Falschmeldungen einen durchaus diabolischen Charakter haben, zeigt allein schon das griechische Wort für Teufel: Diábolos – der Verwirrer, der Verleumder und Faktenverdreher!