Wer will den Bahnhof Alexanderplatz, wenn er die Schlossallee haben kann? Und wer findet "Frei parken" nicht famos? Seit Generationen macht "Monopoly" jeden am Spieltisch zum Moneymaker. Autorin: Carola Zinner
Warum gibt es Armut auf der Welt? Für die Amerikanerin Elizabeth Magie war die Sache ganz einfach. Armut existiert deshalb, sagte sie, weil einige wenige mehr Geld haben, als sie ausgeben können, und weil sie für Grundbesitz Pacht kassieren, ohne im Gegenzug etwas dafür zu leisten. Diese Theorie war nicht neu, doch Magie erfand eine spezielle Methode, sie unter die Leute zu bringen, nämlich ein Brettspiel. Beim "Landlords Game", dem "Vermieterspiel" ging es darum, möglichst viele Grundstücke zu erwerben und dann von den Mieten reich zu werden, die die Mitspieler abdrücken mussten. Das Ganze endete immer damit, dass einem alles gehörte, während alle anderen pleite waren. Außer, und das war die zweite Variante des Spiels, alle Grundbesitzer mussten kräftig Steuern in die Gemeinschaftskasse zahlen. Dann wurden alle immer wohlhabender, keiner geriet in Armut und jeder war am Ende glücklich.
Kapitaler Kapitalismusfrohsinn
Das war schön, aber offenbar nicht besonders reizvoll, denn diese, die menschenfreundliche Version des Spieles, geriet schnell in Vergessenheit, während die der Monopolisten ganz groß Karriere machte. Allerdings auf verschlungenen Wegen. Magie selbst konnte nicht damit landen: als sie 1909 ihr " Landlords Game" den "Parker Brothers" anbot, seinerzeit die größte Firma für Brettspiele, kassierte sie eine Absage: zu politisch, hieß es, und viel zu kompliziert. Magies Freunde allerdings fanden das nicht. Sie spielten lange Abende mit selbstgebastelten Einzelausgaben und gaben sie an Bekannte weiter, die peu a peu das Brett und die Regeln immer wieder ein bisschen änderten. Irgendwann landete das Ganze schließlich bei Charles Darrow, einem arbeitslosen Heizungsvertreter, der sich die Rechte sichern ließ und es - 25 Jahre nach Magie - unter neuem Namen ein zweites Mal bei "Parker Brothers" anbot, wo man wieder ablehnte.
Immer dran bleiben
Erst beim dritten Versuch griff der Hersteller zu. Am 5. November 1935, pünktlich zum Weihnachtsgeschäft, kam das Brettspiel "Monopoly" zum Preis von rund zwei Dollar auf den Markt. Das entsprach in etwa dem Gegenwert von fünf Pfund Butter und war offenbar ein echtes Schnäppchen, denn das Spiel wurde ein absoluter Verkaufsschlager - zunächst in den USA, dann weltweit. Warum, das versteht nur, wer selbst schon mal alle Bahnhöfe besessen hat und dazu noch Häuser und Hotels in der Münchner, der Wiener und der Berliner Straße, wie sie in der deutschen Version heißen - und dafür am laufenden Band knisternde Scheine einkassiert. Die prickelnde Erfahrung, dass jede Spielrunde viel Geld einbringt, ohne dass man etwas dafür tun muss, während die Kassen der anderen immer leerer und die Gesichter immer länger werden, macht auch den vorsichtigsten Kleinsparer süchtig und lässt alle weltanschaulichen Hemmungen schwinden. "Werden Sie zum Immobilienhai! Die Stadt wird im Handumdrehen Ihnen gehören!", so wirbt heute die Herstellerfirma auf ihrer Webseite und verspricht ganz im Stil moderner Banken: "Schnappen Sie sich die teuersten und exklusivsten Grundstücke und sehen Sie zu, wie Ihre Einkünfte in die Höhe schnellen."
Tja.
Wir wissen ja mittlerweile, wohin so was führt.
Deshalb gibt es auf solche Appelle nur eine Antwort. Sie findet sich erfreulicherweise gleich im Spiel selbst, auf einer der „Ereigniskarten“:
Gehen Sie ins Gefängnis.
Gehen Sie nicht über Los.
Ziehen Sie nicht 200 Euro ein.