Als der Kölner Kaufmann Wilhelm Mülhens heiratete, soll auch die Geburtsstunde für 4711 Kölnisch Wasser geschlagen haben. So will es die Legende, doch der könnte der schale Geruch der Unwahrheit anhaften. Autor: Xaver Frühbeis
Heute gibt's gleich zwei Geschichten auf einmal. In der einen geht es um eine Hausnummer, in der anderen um eine Hochzeit. Am 8. Oktober 1792 nahm sich der junge Kaufmann Wilhelm Mülhens zu Köln ein Eheweib, und zur Feier des Tages überreichte ein italienischer Kartäusermönch namens Farina dem jungen Paar ein ganz besonderes Geschenk: die Rezeptur für ein wundertätiges Wasser. Ein paar Tropfen, getrunken mit Wasser oder Wein, versprachen Linderung bei Herzklopfen, schniefte man es durch die Nase ein, dann verging der Kopfschmerz. Darüber hinaus roch das Ganze auch noch ganz hervorragend. Der derart beschenkte Herr Mülhens errichtete in der Glockengasse zu Köln eine Manufaktur zur gewerblichen Herstellung dieses Wässerchens. Er nannte es "Kölner Wasser", zu deutsch: "Eau de Cologne".
Dies, sagt die Geschichte, sei die Geburtsstunde des berühmtesten Duftes der Welt gewesen. Aus der Kölner Glockengasse heraus überzog Mülhens die Fürstenhöfe und Bürgerhäuser in aller Welt mit seinem frischen Duft, und "Eau de Cologne" wurde zum Inbegriff von "Made in Germany".
Kölner Luft
Leider deutet alles darauf hin, daß die hübsche Geschichte von der Kölner Wasser-Hochzeit - erfunden ist. 1792, als Mülhens seine Firma gegründet hat, war das Kölner Wasser längst nichts Neues mehr. In Köln, Bonn, Düsseldorf, sogar in Paris standen an die vierzig Fabriken, die dieses Wässerchen herstellten. Die Duftfabrikanten waren Italiener und hießen alle Farina. Ein gemeinsamer Vorfahr namens Giovanni Maria Farina war hundert Jahre zuvor aus dem Piemont nach Köln gekommen, um seinem Bruder zu helfen, der dort ein Geschäft für Luxusartikel hatte. Giovanni Maria aber hatte eine sehr empfindliche Nase und fand, dass es in Köln unerträglich stank. Also mixte er sich ein Duftwässerchen zusammen, das auf Zitrusauszügen und italienischen Kräutern basierte, damit es ihn an einen frischen Frühlingsmorgen in seiner Heimat erinnere.
Diese erste Eau de Cologne Manufaktur stand schon hundert Jahre vor Mülhens in Köln, und dort steht sie heute noch, es ist die älteste Duftfabrik der Welt.
Mülhens dagegen war ein deutscher Spekulant, er handelte mit allem, was die Welt hergab und haben wollte, also auch mit Duftwässerchen.
Marketing ist (fast) alles
Verbürgt ist, dass der clevere Mülhens 1803 den Mantel einer der bankrott gegangenen Farinafirmen gekauft hat, und als er entdeckte, dass der damals so bekannte Name Farina gar kein rechtlich geschütztes Markenzeichen war, hat er sich auch noch den Namen gesichert, was andauernde Rechtsstreitigkeiten zur Folge hatte. Die Geschichte von der Hochzeit und dem Rezeptgeschenk hat er höchstwahrscheinlich nachträglich erfunden, um sein Wässerchen ganz still und leise auf das italienische Original zurückführen zu können. Das war aber gar nicht nötig, denn Mülhens und sein Fabrikat wurden auch ohne die Verbindung zur Familie Farina bekannter als es die jemals gewesen war. Und zwar mit einem raffinierten Marketingtrick.