Um kaum einen englischen Herrscher ranken sich so viele Geschichten, Mythen und Legenden. In denen ist er durch die Bank der Held. Tatsächlich war Richard Löwenherz allerdings alles andere als besonders herzig. Autorin: Susi Weichselbaumer
Selbstdarstellerei ist das Hauptgeschäft dieses Kollegen, vordere Mitte rechts, Großraumbüro. Dauernde überbordende Oden an die freudvoll ureigene Unfehlbarkeit. Dabei feiert er Erfolge - wenn überhaupt - am Kicker im Aufenthaltsraum, nicht am - ureigenen - Eckschreibtisch. Trotzdem, die Chefschaft würdigt. Geschicktes Selbstmarketing nennt sich das Ganze wohl. Gekonnt haben das schon Kandidaten vor dem Kollegen.
König Richard I. war so einer.
Ich bin gut.
Tatsächlich sind auch hier die Startbedingungen eher Großraumbüro. Richard ist - nur - Sohn Nummer drei von König Heinrich II. von England. Mama ist Eleonore von Aquitanien, wo Richard denn auch erzogen wird. Was er am Hof dort lernt, weiß keiner genau. Später gibt er sich aus als von den Troubadouren und deren Dichtung höchst beeinflusst und das von Schulkindesbeinen an. Als seine Brüder sich gegen den Vater stellen, weil der nicht sagen will, welchem der Prinzen die effektive Herrschaft in was für einem der Gebiete dereinst dann wenn einmal oder vielleicht schon gleich zukommen werden wird, mischt Richard mit. Auf allen Seiten und gegen jeden. Die Männer der Familie raufen es schließlich aus. Auf dem Schlachtfeld. Der Vater stirbt, Brüder auch. Richard wird am 3. September 1189 in Westminster zum König von England gekrönt.
Posaunenklang hoch zehn
Pomp und Brimborium. Feierlichkeit. Jubel. Publikum. Richard I. lässt sich zelebrieren am Tag der Thronbesteigung. Und kaschiert damit, wie wenig familienfreundlich er da eigentlich hingekommen ist. An diesen Posten dessen, wessen Besitzungen in England und Frankreich ihn zum mächtigsten Mann der Zeit machen, gleich hinter Kaiser Friedrich Barbarossa.
Was er auch nicht öffentlich erwähnt, das Wetter auf der Insel geht ihm auf die Nerven.
Die englische Sprache beherrscht King Richard kaum - wie Historiker inzwischen belegen.
Der Herrscher parliert auf Französisch und erklärt wortgewandt, warum er los muss -
ins Abenteuer.
Kreuzzug zur Rückeroberung Jerusalems von den Truppen des Sultans Saladin. Dagegen kann kein frommer Untertan daheim etwas haben. Unterwegs enthalten sich die meisten Einheimischen denn genauso eines kritischen Kommentars. Kreuzfahrer Richard wütet derart, dass man ihm den Beinamen “Löwenherz“ gibt. Er selbst wird das je nach Kontext auch als Kompliment deuten in Richtung warmherzige herzliche Großherzigkeit.
Ein beherztes Ende hat es jedenfalls mit jedweder Herzensgüte, als Richard in der Ferne erfährt, was sein kleiner Bruder in England mittlerweile treibt. Johann soll in der Abwesenheit des Großen die Insel verwalten und richtet es sich augenscheinlich dauerhaft ein auf dem Thron. Heute würde man sagen: Er betreibt geschickte Netzwerkbildung. Richard bläst erbost den Kreuzzug ab, unterschreibt schnell einen Frieden mit Sultan Saladin, will zurück und dem kleinen Thronbesetzer gehörig Bescheid geben - gerät aber in Österreich in Gefangenschaft. Der gesamte europäische Hochadel hat genug von dem Selbstdarsteller Löwenherz, der Bündnisse wie Eheversprechen eingeht und bricht wie er lustig ist.