Im Dunkeln lässt sich gut munkeln, doch wer mächtig munkeln will, muss gut vorbereitet sein. Dem nützt es kaum, wenn ihn die Dunkelheit unerwartet überkommt. Etwa qua Sonnenfinsternis. Heute lässt sich so eine ja vorhersagen. Ein total überraschendes Erlebnis ist sie mitunter trotzdem. Autorin: Leo Hoffmann
Wenn es tagsüber plötzlich zappenduster und unheimlich kühl wird, die Vögel verstummen, Pflanzen ihre Blüten schließen, Wind aufkommt und die Erde unversehens in bleiernen Schatten fällt, dann schiebt sich der Mond zwischen Erde und Sonne: Eine Sonnenfinsternis nimmt ihren Lauf!
Die Ebene, auf der die Erde um die Sonne kreist, und die Ebene, auf welcher der Mond die Erde umrundet, kreuzen sich. Stehen dabei Neumond und Sonne nahe an einem dieser beiden Kreuzungspunkte, den Mondknoten, dann frisst ein Finsternisdrache die Sonne auf! So glaubten es die Chaldäer, die schon um
1000 v. Chr. errechneten, dass sich die Verfinsterungen periodisch wiederholten, nämlich alle 18 Jahre und 11 Tage.
Ausgeknipst
Oft verhüllt der Mond nur einen Teil der Sonnenscheibe, manchmal jedoch sieht es so aus, als bedecke er die Sonne ganz:
Es ereignet sich eine totale Sonnenfinsternis!
Der winzige Mond die riesige Sonne …? Aus dem Blickwinkel der Erdbewohner sind beide Himmelskörper tatsächlich ähnlich groß. Deshalb ist “Sonnenfinsternis“ auch ein irreführender Begriff: Es müsste “Erdfinsternis“ heißen, denn die Sonne strahlt natürlich weiter. Und nur die Teile der Erde, auf die der Schatten des Mondes fällt, sind von der Finsternis betroffen.
Winzling vs. Riese
Bei der längsten totalen Sonnenfinsternis des 21. Jahrhunderts zieht der Schattenstreifen des Mondes über Asien: Der Kernschatten des Mondes, also das Gebiet, in das kein Sonnenlicht gelangt, verdunkelt am 22. Juli 2009 um 0:51 Uhr Universalzeit das arabische Meer und wandert dann Richtung Osten über Indien. Die Menschen in Bhopal, Varanasi und Patna sehen die Sonne bereits kurz nach ihrem Aufgang wieder schwarz werden, für fast drei Minuten!
Der Schatten gleitet weiter über Nepals Südosten, den Norden von Bangladesch, über Bhutan, schwärzt um 1:10 Uhr den Norden von Myanmar und danach Tibet. Als er eine halbe Stunde später in Shanghai eintrifft, dauert die totale Finsternis bereits fünf Minuten, die Izu-Inseln an der japanischen Ostküste liegen dann knapp sechs Minuten im Dunkeln.
Das ist lang! Die letzte totale Sonnenfinsternis über Europa - das war 1999 - dauerte gerade mal 2 Minuten 23 Sekunden!
Egal, ob schnell oder langsam - wie gründlich dabei das Licht abnimmt, gehört zu den außergewöhnlichen und beängstigenden Eindrücken einer Sonnenfinsternis: Der Tag wird immer gelber und fahler. Der Horizont strahlt in einem unnatürlichen Orangerot. Himmel und Wolken färben sich erst tiefblau, dann dunkelgrün, dann satt in kaltem Blau und schließlich herrscht eine blasse Nacht. Die Schatten wirken seicht. Oft zeichnen sich Sonnensicheln oder fliegende Streifen auf dem Boden ab. Und wer den Kopf hebt, sieht den Strahlenkranz um die schwarze Mondscheibe: die Sonnenkorona im Drachenbauch!
Wer sich am 22. Juli 2009 gut 1200 km südöstlich von Japan bei 24° nördlicher Breite und 144° östlicher Länge im Pazifik befand, konnte diese Phänomene
6 Minuten und 39 Sekunden lang beobachten! Denn dort hatte der Kernschatten mit knapp 259 km Breite seine maximale Dauer und Dunkelheit erreicht.
Danach wurde der Schatten immer schmaler. Um 4:17 Uhr verließ er die Südhalbkugel. Der Finsternisdrache hatte die Sonne wieder ausgespuckt und sich hinter den Mondknoten getrollt!