Viele Wege führen nach Rom. Wohl dem, der da eine vernünftige Routenbeschreibung zur Hand hat. Heute übernimmt das “Alice“ im Auto-Navi, früher bedurfte es dazu ganzer Bücher. Womit man besser unterwegs ist? Autorin: Isabella Arcucci.
Manch einer kann sich vielleicht noch erinnern: an die Zeit vor elektronischen Navigationssystemen. An eine Zeit, in der das mühsame Auf- und Zufalten einer überdimensionalen Landkarte zum Entdecker-Feeling jeder Urlaubsreise gehörte. Wer die Welt in ihrer Vielfalt erkunden wollte, der musste Karten lesen können und wissen, wo Norden und Süden, Osten und Westen liegen. Denn erst das Wissen um Landkarten und Geographie macht aus dem ortsunkundigen Fremdling einen Entdecker - oder gar einen Eroberer!
Die Welt auf einer Tontafel
Bereits vor 40.000 Jahren begannen die Steinzeitmenschen, Pläne ihrer Umgebung auf Höhlenwände zu malen. Das war insofern unpraktisch, da man ja meist dann nach dem Weg sucht, wenn man gerade nicht in den eigenen vier Höhlenwänden hockt. In Mesopotamien setzte man daher ab etwa 3.800 v.Chr. auf handliche Tontafeln, in die man Ortsbeschreibungen ritzte. Die Babylonier jedoch gaben sich bald schon nicht mehr mit dem Wissen um ihre nächste Umgebung zufrieden.
Sie fertigten im 6. Jahrhundert v. Chr. eine Tontafel an, die heute als älteste erhaltene Weltkarte gilt. Darauf: eine Scheibe, die im Weltmeer schwimmt. Genau in der Mitte der Scheibe prangt selbstverständlich Babylon. Um das Weltmeer herum noch ein paar Zacken - weit entlegene, mythische Gefilde, ein bestechend simples Weltbild, an dem bereits der, ungefähr zeitgleich in Griechenland lebende Mathematiker Pythagoras wohl seine Zweifel hatte. Heute wird vermutet, dass Pythagoras bereits erkannte, dass die Erde keine Scheibe ist, sondern eine Kugel. Davon war auch der griechische Gelehrte Ptolemäus überzeugt. Um das Jahr 160 n. Chr. verfasste er die "Cosmographia", in der er die geographischen Koordinaten von 8000 Orten der damals bekannten Welt notierte und genaue mathematische Anleitungen zur Anfertigung von Weltkarten niederschrieb.
Das Meisterwerk aus Ulm
Eine Weltkarte - das war auch der Traum des Formenschneiders Lienhart Holl aus Ulm. Das 15. Jahrhundert, die Zeit der großen Seefahrer war angebrochen.
Die Menschen begnügten sich nicht mehr damit, Zacken auf der Weltkarte für mythische Gefilde zu halten: sie wollten die Welt selbst entdecken und dazu mussten sie wissen, wie sie aussah. Am 16. Juli 1482 erschien Lienhart Holls "Cosmographia". Sie basierte auf den Aufzeichnungen des Ptolemäus und war nicht nur der erste deutsche Weltatlas, sondern auch der erste Atlas, der nördlich der Alpen gedruckt worden war! Ein aufwendiges Meisterwerk, gefertigt aus kostbarem Mailänder Papier, mit 32 Holzschnittkarten und einer großen handkolorierten Weltkarte. Darauf abgebildet: die Personifikationen der
"12 Winde", wie sie mit geblähten Backen über die Erde hinweg blasen.