Ein Schloss in den Wolken war es nicht, aber doch dem Himmel sehr nahe da in der Nähe des Zugspitzgifpels: Deutschlands einst höchstes Hotel. Autor: Hartmut E. Lange.
Gemütlich fährt man eine Stunde bergauf, steigt aus dem schicken Waggon, und wenn das Wetter mitspielt, hat man einen atemberaubenden Ausblick auf die schneebe-deckten Gipfel: die Plattspitzen, den Höllenkopf, die Riffelwandspitze, den Waxenstein.
- Und wenn man das gesehen hat, was macht man dann?
Eine Weißwurst und ein Bier wären nicht schlecht. Aber wo?
Diese Frage haben sich auch die Männer gestellt, die sich 1928 über die Pläne zum Bau der Zugspitzbahn beugen. Und sie sind sich ziemlich schnell einig:
da oben muss ein schönes Haus hin, mit Restaurant und Betten.
Essen und Schlafen
Zwei Jahre später herrscht große Aufregung in Niesky, einer Zehntausend-Seelen-Gemeinde in der Lausitz. Neben dem Jubel über den besonderen Auftrag fließen auch Tränen. Zwei Monate weg von zuhause, klagen junge Ehefrauen. Na und, so was passiert nur alle hundert Jahre, und wir können dabei sein, erwidern die Männer. Wir bauen Deutschlands höchstes Hotel -
auf der Zugspitze!
Mit WIR meinten sie ihre Firma, den größten Arbeitgeber der Region, die Christoph & Unmack AG, die älteste und größte Spezialfabrik für Holzbauten aller Art. Prominente Aufträge hatte die Firma schon einige, zum Beispiel in Caputh das Sommerhaus für Albert Einstein.
Nun hatte sie eine Baustelle auf 2.650 Meter Höhe an einem 45 Grad steilen Hang. Kein Problem, dachten alle, schließlich war bereits Frühsommer.
Sie hofften auf einen sonnigen Arbeitsplatz mit schöner Aussicht. Doch die Lausitzer waren ziemlich überrascht von den widrigen Bedingungen dort oben, als sie Ende Mai ihre Arbeit begannen. Woher sollten sie es auch wissen?
Die höchsten Erhebungen in ihrem Heimatort waren zwei Rodelberge:
Sonnenhügel und Katzenbuckel, keine zwanzig Meter hoch.
Flachländer im Alpinbergbau
Meine Männer sind fast am Verzweifeln, schrieb Bauleiter Arthur Ritschel auf einer Postkarte an seine Frau. Seit Tagen schneit es hier oben. Morgens, wenn wir aus den Hütten treten, ist das Baumaterial weg. Immer wieder verschwanden nämlich Balken und Bretter unter einer dicken Schneedecke.
Die Mannschaft wohnte in Holzhütten im Basislager auf 1.700 Meter, gemeinsam mit über 1000 anderen Arbeitern, die seit zwei Jahren Bahngleise über steile Hänge und durch zähe Felswände in die Höhe trieben. Der Transport zum Bauplatz erfolgte mit mehreren Hilfsseilbahnen. Zu sechst schwebten sie in offenen Holzgondeln, die wie riesige Schweinetröge aussahen, über Baumwipfel und tiefe Schluchten.
Trotz aller Widerstände, in einer Rekordzeit von 35 Tagen errichteten die Holzbau-Spezialisten aus der Lausitz ein beeindruckendes fünfgeschossiges Hotelgebäude, mit einem Restaurant, einer modernen Küche und über 100 Betten. Am 8. Juli 1930 wurde das Schneefernerhaus eröffnet -
gemeinsam mit der Zugspitzbahn.
Durch die fertige Bahnstrecke konnte jetzt viel schneller Material nach oben gebracht werden. Auf allen Bauplänen wurde das Schneefernerhaus als Provisorisches Touristenheim bezeichnet. Wie lange dieses prächtige Provisorium existieren sollte, wurde nirgends erwähnt. Im Mai 1965 beantwortete ein gewaltiges Naturereignis diese Frage - ein schwerer Lawinenabgang beschädigte das Gebäude so stark, dass es abgerissen werden musste.
Nur ein metallschild ist übrig geblieben. Im Sommer 2013 tauchte es auf einem Floh-markt in Oberbayern auf. 35 Jahre hatte es neben der Eingangstür gehangen und den Gästen stolz verkündet, wer dieses riesige Gebäude,
so elegant wie ein Schwalbennest, an die Felswand geklebt hatte.