Wir sind alle Europäer. Auch die Briten. Die fahren aber nicht nur auf der anderen Straßenseite, sondern zahlen auch ganz anders. Denn Maggie Thatcher wollte ihr Geld zurück. Autor: Andreas Miekisch
Die Welt erinnert sich noch gut an die angriffslustige englische Premierministerin Margaret Thatcher, die ihrem Spitznamen „Iron Lady“ oft und in vieler Hinsicht gerecht wurde. Wenn es aber eine Szene gibt, mit der sie sich unsterblich gemacht hat, dann ist das ihr Auftritt beim Treffen des Europarats im französischen Fontainebleau am 25. Juni 1984. Es ging bei der Zusammenkunft an der Seine um nichts Geringeres als die konkrete Ausgestaltung der zukünftigen Europäischen unio, die damals noch in ihren Kinderschuhen steckte.
Armes England
Die Situation war verfahren. Großbritannien hatte von 1979 bis 1984 alle Beschlüsse des Europarats boykottiert, was beim Zwang zur Einstimmigkeit auf Dauer zum Scheitern des europäischen Projekts geführt hätte. Die Regierungschefs der anderen europäischen Länder waren sich der brisanten Lage bewusst, denn genau wie England hätte auch jedes andere Land die Möglichkeit gehabt, einseitige Forderungen zu stellen und darauf zu bestehen, dass diese erfüllt werden.
Doch außer England machte kein Land davon Gebrauch - ein beachtliches Beispiel europäischen Gründer- und Kooperationsgeistes. Margaret Thatcher dagegen verlangte, dass England 2/3 jener Zahlungen an die EU erlassen werden, die es gemäß seiner Wirtschaftskraft mehr in den Gemeinschaftstopf einzahlen müsste als es an Zahlungen zurückbekommt. Als Begründung gab sie an, dass Großbritannien weniger als andere Länder von den Subventionen für die Landwirtschaft profitiere und der Wohlstand in England ohnehin viel niedriger als in anderen europäischen Ländern sei.
Obwohl man das schon damals bezweifeln durfte, ließ sich die Behauptung vom armen England in den darauf folgenden Jahren nicht einmal mehr von England selbst aufrechterhalten. Der Finanzplatz London macht seit den 90er-Jahren astronomische Milliardengewinne und bei fast jedem Krieg des Westens war England ganz vorne mit dabei. Daran aber, dass das Königreich weniger Geld in die EU einzahlt als es nach dem Gleichheitsgrundsatz müsste, hat sich bis heute nichts geändert.
I want my money back
Viele Staatschefs unterschiedlichster Couleur sind mit Forderungen nach mehr Zahlungsgerechtigkeit gescheitert - auch bei Margaret Thatchers Nachfolgern. Mittlerweise wären die anderen europäischen Länder schon froh, wenn England wenigstens der Einfrierung des Britenrabatts zustimmen würde, aber selbst das hängt von der Gnade der jeweiligen Regierung in London ab. Die hingegen verzögert sogar die Zahlung jenes Drittels, das nach Abzug des Rabatts von zwei Dritteln übrig bleibt und zu dessen Zahlung sie sich in Fontainebleau verpflichtet hat. Dass viele Briten sich dennoch vom restlichen Europa ungerecht behandelt fühlen, sitzt tief im Selbstverständnis der Insulaner - hinauf bis in die höchsten Ebenen der Gesellschaft.
Unvergessen ist dabei die Szene, wie Margaret Thatcher beim historischen Gipfeltreffen in Fontainebleau vor ihren männlichen Kollegen aufgeregt die Handtasche geschwungen und immer wieder nur einen einzigen Satz ausgerufen hat: