Ein Storch, der vom Kirchturm geschossen wurde, war der Auslöser für die erste Predigt gegen Tierquälerei. Doch es brauchte noch viel Überzeugungsarbeit, bis der Pfarrer Albert Knapp den ersten Tierschutzverein Deutschlands gründen konnte. Autor: Xaver Frühbeis
"Was dir selbst verhasst ist, das mute auch niemand anderem zu", sagt die Bibel im Alten Testament, Buch Tobit, Kapitel 4, Vers 15. Und Martin Luther hat das ein wenig eingängiger formuliert: "Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu." Dass mit dieser "Goldenen Regel" nicht nur Menschen, sondern auch Tiere gemeint sein könnten, das allerdings steht nirgendwo. Die Einsicht, dass auch Tiere Schmerz empfindende Wesen seien oder gar Rechte hätten, war dem Menschen lange Zeit fremd. Aus Zorn wurden Tiere geschlagen und zum Spaß gequält. Fuhrknechte prügelten ihre Pferde, wenn sie nicht schnell genug zogen, Singvögel verfingen sich schwarmweise in den Netzen der Vogelfänger, und in Wien hat es im 18. Jahrhundert gleich drei "Hetztheater" gegeben, in denen zum Vergnügen der Zuschauer Hunde auf wilde Stiere oder Bären gehetzt wurden.
Menschen: vernünftige Mitgeschöpfe?
Dass so ein Verhalten einer zivilisierten Gesellschaft unwürdig ist, zu dieser Erkenntnis hat man lange gebraucht. Unter den ersten in Deutschland, die zum Umdenken aufforderten, war der Stuttgarter Pfarrer Christian Adam Dann. Ihn hat ein Erlebnis aktiv werden lassen. Er fand einen Storch, der sein Nest auf dem Pfarrhaus gebaut hatte, einen Tages tot auf dem Boden liegend. Irgendjemand hatte ihn zum Spaß vom Dach geschossen. Der Pfarrer bat in der Kirche um Gottes Vergebung für alle Tierquäler und verfasste eine Streitschrift, mit dem Titel: "Bitte der armen Tiere, der unvernünftigen Geschöpfe, an ihre vernünftigen Mitgeschöpfe und Herren, die Menschen".
Als Christ appellierte Pfarrer Dann an die Güte und Verständigkeit seiner Mitmenschen. Natürlich hat er gewusst, dass der Mensch vor allem ein Sünder ist, weshalb er sich zusammen mit Anderen an den württembergischen Landesvater wandte. Gesetze sollten her, die jeden, der schlecht und unverständig war und Tiere quälte, mit Strafe bedrohten. Aber der König hatte Anderes zu tun, auch seine Beamten reagierten nicht, und als Dann im März 1837 starb, nahm ein Freund die Sache in die Hand:
Albert Knapp, auch er evangelischer Pfarrer in Stuttgart. Wo die Politik versagt, dachte Knapp, muss der Untertan sich selber helfen. Und so gründete er am
17. Juni 1837 in Stuttgart einen Verein zur Verhütung der Tierquälerei.
Es war der erste Tierschutzverein in Deutschland und der zweite weltweit.
Auch Knapp hatte eine Schrift verfasst, ein Flugblatt, in dem er den Tierschutz als "wichtiges Staatsinteresse" bezeichnete, "vom Standpunkt der Nationalökonomie wie auch der christlichen Moral". Wer seine Tiere schlecht behandelt, sagte Knapp, der richtet nicht nur sein Eigentum zugrunde, es werde dadurch auch das Menschengefühl abgestumpft. Wer Tiere quäle, sei für "bessere Gesittung unempfänglich und für weitere Schandtaten reif".
Geht eben doch!
Erstaunlicherweise jedoch waren viele Menschen für diese Erkenntnis absolut nicht reif. Pferde pflegen, Hunde füttern, Störche auf dem Dach lassen, wo kämen wir da hin, das geht doch nicht, war ein oft gehörter Einwand. Knapp erwiderte: Beim Verbot des Sklavenhandels in England hatte man anfangs auch gesagt, das ginge nicht. "Gleichermaßen wie die Sklavenwelt" bedürfe "die arme Tierwelt einer Emanzipation".