Toll, so ein Geheimagent. Den hat man gerne zu Gast. Auch in Istanbul. Bis er etwas kaputt macht. Und dann noch etwas. Und ausgerechnet Antiquitäten. Da benötigt man schon ein Quantum Trost. Autorin: Prisca Straub
Mehr als die Hälfte der Welt hat James Bond inzwischen in Drehorte verwandelt: einen Maharadscha-Palast in Rajasthan ebenso wie das Ufer eines isländischen Gletschersees. Mal turnt er halsbrecherisch auf einem Wiener Riesenrad, dann jagt er rund um das Guggenheim-Museum im spanischen Bilbao. Bond reist nie,
er ist immer schon da. Wenn der Superagent ankündigt, irgendwo auf der Welt für Gerechtigkeit sorgen zu wollen, ist das vor Ort wie eine Lizenz zum Gelddrucken.
So fühlen sich auch türkische Geschäftsleute und Politiker zunächst geadelt, als die Produktionsfirma ankündigt, zum dritten Mal die Millionenmetropole am Bosporus heimzusuchen: steigende Umsätze, Touristenströme, Imagegewinn. Sean Connery flirtete hier schon 1963 in "Liebesgrüße aus Moskau". Dann 1999 Pierce Brosnan in "Die Welt ist nicht genug". Jetzt also Daniel Craig in der 007-Produktion "Skyfall". Für die Eröffnungssequenz wählt man den dichtbevölkerten Innenstadtteil Eminönü rund um den zentralen Fähranleger und den orientalischen Gewürzbasar. Durchschnittlich eine Million Besucher pro Tag. Kein einfacher Ort für eine Verfolgungsjagd.
Glotzen verboten!
Wo James Bond Station macht, da heißt es zunächst einmal: evakuieren. Für den fulminanten Auftakt von "Skyfall" wird das Istanbuler Stadtzentrum komplett abgeriegelt. Die Bewohner sollen ihre Häuser möglichst nicht verlassen, keine Wäsche im Freien trocknen - und keinesfalls aus dem Fenster sehen. Sieht nämlich blöd aus im Film hinterher, wenn die ganze Familie dem Agenten-Wettrennen hinterhergafft. Die Stimmung droht ein erstes Mal zu kippen, als auch die Händler fortgeschickt und durch Statisten ersetzt werden. Die Geschäftsleute auf dem Großen Bazar sind sauer: Was ist mit ihrem Umsatz? Und kaum hat der eigentliche Dreh begonnen, geschieht auch schon das erste Unglück:
Am 17. April 2012 verliert ein Motorradfahrer bei einer Verfolgungsjagd die Kontrolle über seine Maschine - und kracht in ein unter Denkmalschutz stehendes Juweliergeschäft.
Die Schaufensterscheibe aus dem 15. Jahrhundert hat ein halbes Jahrtausend Erdbeben in Istanbul überlebt. Jetzt geht sie zu Bruch. Die kostbare Auslage - weit verstreut über den Asphalt - die Schadenersatzansprüche: unklar.
Eins kaputt ist nicht genug
Doch das Spektakel ist unaufhaltbar: Die Innenstadt-Bewohner stecken schon in der dritten Woche in ihren Häusern fest, und über ihren Köpfen hat das Filmteam eine weitere attraktive "Location" ausgemacht: die Dachlandschaft des Großen Bazars. Eine für den normalen Besucher verborgene Welt aus Dachziegeln, rosaroten Kuppeln und Minaretten - mit hinreißendem Blick über das Goldene Horn. Hier brettern Stuntmen in voller Motorradmontur auf den halsbrecherisch schmalen Firsten dahin - etliche antike Dachpfannen gehen zu Bruch. So hat man sich in Istanbul den Einsatz für Ihre Majestät nicht vorgestellt. Die Lust auf 007 ist auf dem Null-Null-Null-Punkt. Die Stadt atmet auf, als Bond - im Zweikampf auf einem Zugdach - endlich den Bosporus verlässt.
Was am Ende bleibt: Ganze sechs Minuten rasende Istanbul-Sequenzen, höflicher Applaus und der Gedanke: "Beim nächsten Bond sagen wir ab!" Der Südpol wäre noch im Angebot. Und Grönland.