Weil Frauen eben anderes interessiert, braucht es speziell für Frauen Interessantes - dachte sich der findige Londoner Verleger John Dunton und brachte gegen die Bedenken vieler Verlegerkollegen mit "The Ladies Mercury" die erste Frauenzeitschrift der Welt heraus. Ein Erfolg! Autorin: Anja Mösing
Natürlich lesen Mädchen auch Jungsbücher! Ob "Winnetou", "Die Brüder Löwenherz" oder "Harry Potter" - wurscht! Weiblichen Leseratten ist das Geschlecht des Helden egal. Das Buch muss gut sein. Fertig.
Bei Jungs - völlig andere Situation! Die sind wahre "Mädchen-Themen"-Hasser. Alles Lesbare wird sofort weit weg geworfen, sobald eine bestimmte Dosis an weiblichen Personen, Themen oder Anmutungen überschritten wird. Fertig.
Sonnenklar, "Pipi Langstrumpf" ist die Ausnahme, die diese Regel bestätigt. Irgendwie niedlich ist, dass es bei Männern größtenteils so bleibt:
Zu viele weibliche Helden, Themen oder Anmutungen, und der Lesestoff kommt ins Altpapier. Ausnahme: Es geht recht schlüpfrig zur Sache. Ansonsten bleibt die männliche Empfindlichkeit gegenüber vermeintlichen Frauen-Themen sehr ausgeprägt.
Pfiffige Drucker am Nabel der Welt
"Und das ist auch gut so!", raunen sich Verleger seit Jahrhunderten händereibend zu. Klar! Wie könnten sie sonst jedes Jahr so einen Reibach machen? Besonders mit einer Erfindung aus den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts; aus einer Stadt, die seit kurzem "Der Nabel der Welt" war: London.
New York hieß da noch "Neu Amsterdam" und war nur ein schlammiger Ort. In London wurde dagegen alles gehandelt, was auf der Welt an Waren zu haben war. Und London war nicht nur die Stadt der Seefahrer und Kaufleute, sondern auch die Stadt der Königsfamilie, des nagelneu ausgetüftelten Parlaments und des Bürgertums.
London strotzte nur so vor neuen Ideen aus Wissenschaft, Kunst und Kultur.
Wer hier lebte, wollte all das Neue verstehen. Männer und Frauen hatten Fragen über Fragen. Und pfiffige Drucker taten alles, um diesen Wissensdurst zu stillen. Sie druckten immer neue "Journale": täglich bis wöchentlich erscheinende Zeitungen, die zwar nur aus einem großen, bedruckten Blatt bestanden, dafür aber höchst blumige Namen trugen.
"The Athenian Mercury" war das Blatt des jungen Londoner Buchhändlers John Dunton. Es versprach, alle Fragen, die von Lesern eingesendet wurden, durch die zahlreichen und ehrenwerten Mitglieder der "Athenian Society" beantworten zu lassen; ob die Fragen nun historische, theologische, philosophische oder mathematische Dinge betrafen, ob es um Liebe, Heirat oder Poesie ging.
All die schönen brennenden Fragen ...
Tatsächlich schrieb Dunton die Antworten selbst. Und manchmal wohl auch die Fragen. Und die große "Athenian Society" bestand in Wahrheit nur aus ihm und drei Freunden, die im Brotberuf Mathematiker, Philosoph und Pastor waren.
Ihre "Antworten" aber müssen so bestechend gewesen sein, dass sich das Blatt über Jahre erfolgreich auf dem Markt hielt. Gerade Frauen schickten ihre Fragen so zahlreich, dass John Dunton schließlich das erste Frauenjournal der Welt herausgab: Am 27. Februar 1693 erschien "The Ladies Mercury" zum ersten Mal.
Es versprach "all die schönen und brennenden Fragen zu Liebe, Heirat, gutem Benehmen, Kleidung und Launen des weiblichen Geschlechts zu beantworten,
ob sie nun Jungfrauen, Gattinnen oder Witwen seien".
Vermutlich recht simpel, warum John Dunton diesen Ableger seines Blattes herausgab: Zu viele Frauen-Themen hätten ihm auf Dauer seine männlichen Leser vergrault. Und die hatten damals nun Mal das Geld. Duntons Frauenjournal erlebte nur vier Ausgaben, vermutlich aus demselben Grund: Frauen hatten kein Geld,
um eine Zeitung zu bezahlen. Das ist heute anders.
Zum Glück!