So, nun also zu der Frage, wer denn Lu Ban ist, und was es mit der Axt und dem Lob und so weiter auf sich hat. Um hier eine Antwort zu geben, muss ich erst einmal kurz einen Ausflug in die chinesische Geschichte unternehmen. Und dabei begegnet uns dann ein Prominenter namens Li Bai, der vor etwa 1300 Jahren in der Tang-Dynastie lebte. Dieser Li Bai hat zahlreiche hervorragende Gedichte verfasst und wurde dafür später von den nachfolgenden Generationen als chinesischer Dichterfürst oder gar als Dichtergott verehrt. So, und zum Ruhm des vielgerühmten Dichtergottes mag vielleicht auch beigetragen haben, dass Li Bai für seinen despektierlichen Humor und seine Vorliebe für ein Schnäpschen hier und da bekannt war. Beim gemeinen Volk war der freudetrunkene Dichter überaus beliebt, bei Hofschranzen und Mandarinen dagegen überhaupt nicht, zumal er sich in seinen Werken oft über sie lustig machte, was wiederum dem Volk umso mehr gefiel. Als Li Bai im Jahr 762 starb, wurde er in Caishiji am Jangtse-Fluss begraben. Fortan pilgerten die Leute zum Grab des Dichtergottes, um seines legendären Lebens, in dem es nach Unten und nach Oben und manchmal schwankend zur Seite ging, ebenso zu gedenken, wie seiner Werke, in denen es oft gegen die da Oben ging. Nach und nach wurde Caishiji also ein Wallfahrtsort, und nicht wenige Reisende wurden am Grab des Dichtergottes zu eigener Dichtkunst inspiriert und von dieser überwältigt. Also hinterließen sie diverse selbstgemachte Verse auf dem Grabstein. Nun könnte man sich ja mit gutem Willen über diese frühen Vorläufer der Graffitti-Kunst freuen, wenn denn die Amateurdichter wenigstens ordentliche Gedichte am Grab des Dichtergottes hinterlassen hätten. Leider haben sie das aber nicht, und so sind die meisten dieser Werke bestenfalls schlicht oder rührend-naiv und einfach lächerlich, und einige waren gleich völlig unverständlich. Leute, die wirklich aus literarischer Verehrung zum Grab gepilgert waren, meinten zu den Möchtegern-Dichtern und ihren Ergüssen, die seien ja so lächerlich, als ob jemand besser mit der Axt umgehen wolle, als Lu Ban.
So, liebe Hörer, und damit wären nach diesem Ausflug endlich bei Lu Ban und seiner Axt. Aber natürlich muss ich Ihnen sagen, wer Lu Ban ist, und was es mit der Axt auf sich hat. Also, Lu Ban gilt in China als der Ahnherr und Patron von Baumeistern, Architekten und Zimmerleuten, und letztere arbeiten ja bekanntlich manchmal auch sehr präzise mit einer Axt. Lu Ban lebte in der Frühlings- und Herbst- Periode vor mehr als 3000 Jahren. Der Überlieferung zufolge erfand er auch noch die Säge, den Regenschirm, die einrädrige Karre und allerlei andere nützliche Dinge. Und der Überlieferung zufolge waren die von Lu Ban geschreinerten Treppen so stabil, dass man darauf getrost ganz weit nach oben steigen konnte, bis in den Himmel gar. Und ein von Lu Ban gebastelter Spielzeugvogel konnte drei Tage lang in der Luft fliegen, ohne auf den Boden zu fallen, so die Überlieferung. Lu Ban war also ein überaus geschickter Zimmermann und Alleskönner, ein Meister, Multitalent und Tausendsassa, ein begnadeter Alleskönner ? ein richtiges Universalgenie eben. Und deshalb wurde der Name Lu Ban im Chinesischen nach und nach zu einem Symbol für jemand, der alles so meisterhaft kann, dass es beim besten Willen nicht zu überbieten ist. Und das gilt natürlich auch für Lu Bans Umgang mit der Axt. Da konnte und kann ihm also keiner was vormachen, und wer es doch versucht, macht sich ganz einfach automatisch lächerlich. So, und genau das meint die Redewendung, die heutzutage aber auch selbstironisch verwendet wird.