Anna: Heute habe ich einen guten, guten Tag!
Herr Meister: Ich freue mich, das zu hören.
Louis: Warum denn, Fräulein Anna?
Anna: Heute morgen kam ich in unser Speisezimmer, um meinen Kaffee zu trinken, und auf dem Tische bei meiner Tasse fand ich (ich finde, ich fand, ich habe gefunden) einen wunderschönen Strauß (= Bouquet) von Rosen, und dabei war ein kleiner Brief; darin stand (= war):
»Möge Dir jeder neue Tag neue Rosen, neue Freuden bringen!
Ein Freund.«
Ist das nicht schön, Herr Meister?
Herr Meister: Ich kann wohl begreifen (= verstehen), warum Sie heute so glücklich sind; Sie wissen, Sie haben einen guten Freund.
Anna: Haben denn nicht alle Menschen gute Freunde?
Herr Meister: Nein, meine gute Anna, nicht alle; die schlechten (= bösen) Menschen nicht. Sie sind nicht mit den Menschen gut, und die Menschen sind nicht gut mit ihnen; sie sind keinem Menschen Freund, und kein Mensch ist ihr Freund; sie fühlen für niemanden (= keine Person), und niemand fühlt für sie. Da stehen sie allein — allein.
Anna: Allein, Herr Meister, allein? Allein ohne einen Freund, ohne einen Menschen, der an sie denkt, der für sie fühlt; ohne jemanden (= eine Person), der sich mit ihnen freut, — o, das möchte ich nicht sein! Nein, nein, nein! O, ich bin glücklich! Nur eins fehlt mir heute an meinem Glücke; ich möchte wissen, wer der gute Freund war, der mir die schönen Rosen geschickt (= gesandt) hat. Waren Sie es, Herr Meister?
Herr Meister: Ich, mein Fräulein? Nein.
Anna: Warst du es, Bella?
Bella: Ich nicht.
Anna: Sie, Otto?
Otto: Nein, ich auch nicht, Fräulein Anna.
Anna: Waren Sie es, Louis? Sehen Sie mich an! Sehen Sie in meine Augen — so, gerade (= direkt). Sie können nicht. Sie lächeln. Ah, Sie sind der gute Freund! Sagen Sie nicht: »Nein,« Louis. Sagen Sie: »Ja,« bitte, sagen Sie mir die Wahrheit; denn, Louis, Sie wissen:
»Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht,
Und wenn er auch die Wahrheit spricht.«
Haben Sie mir die Rosen geschickt, Louis?
Louis: Ich ..... ich .....
Anna: Ja, Sie waren es. Ich sehe es an dem Briefe; das ist Ihre Schrift (= Schreiben). Ich danke Ihnen viel, vielmal, Louis. Ich freue mich sehr. Sie sind ein guter, aufmerksamer Freund.
Louis: Anna, ich glaube, Sie studieren sehr viel Deutsch zu Hause.
Anna: Warum meinen Sie das, Louis?
Louis: Erstens: Weil Sie so schnell und so gut sprechen, und zweitens: Weil Sie Wörter gebrauchen (= sprechen), die ich nie gehört habe.
Anna: Das will ich Ihnen erklären. Erstens: Kann ich schnell sprechen, weil ich mich freue (ich freue mich, ich freute mich, ich habe mich gefreut); zweitens: Spreche ich Wörter, die Sie nie gehört haben, — das kann sein. Ich habe diese Wörter vielleicht von meiner deutschen Freundin gehört.
Otto: Haben Sie auch eine deutsche Freundin, Anna?
Anna: Es ist dieselbe Freundin, welche Bella hat. Ich bin gestern mit Bella gegangen, und so wurde ich der Frau Dr. Stellen vorgestellt.
Louis: Sehen Sie, da ist wieder ein Wort, das ich nicht verstehen kann.
Anna: Wenn ich kann, werde ich Ihnen alle Wörter erklären, die Sie nicht verstehen. Was verstehen Sie nicht?
Louis: »Vorgestellt.«
Anna: Fräulein Bella sagte: »Frau Dr., erlauben Sie mir, daß ich Ihnen meine Freundin Anna vorstelle?« und Frau Dr. Stellen sagte: »Mit Vergnügen, Fräulein;« und dann sagte Bella:
»Fräulein Anna, meine Freundin.«
»Frau Dr. Stellen.«
Louis: Ah, das verstehe ich. Nun sagen Sie mir auch: Was meinten Sie, als Sie sagten, ich sei (= bin) ein aufmerksamer Freund?
Anna: Gestern sagte ich: »Ach, ich wünsche mir jeden Tag Rosen.« Das haben Sie sich gemerkt; das heißt (= das ist): Sie haben es gehört und haben daran gedacht. Sie sind aufmerksam, Louis, und Sie haben Aufmerksamkeit.