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Studien und Plaudereien:89

时间:2023-11-01来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Studien und Plaudereien
Otto: Ich wundere mich auch über Sie, Fräulein Anna. Sie können alles dieses nicht gestern bei Ihrer Freundin gelernt haben. Woher haben Sie alle diese Wörter und Erklärungen?
 
Anna: Ich weiß nicht. Ich weiß nicht. Es ist in mir, und ich sage es. Sagte Herr Meister nicht, daß die Wörter von selbst kommen, daß sie in uns wachsen, wie die Blätter an den Bäumen? Es ist so, wie Herr Meister sagt, ich fühle es.
 
Herr Meister: Ich freue mich, daß Sie es so finden. Sie machen auch mir dadurch heute einen glücklichen Tag.
 
Bella: Ist das nicht wunderbar? Eine glückliche Person macht oft viele Glückliche. Freude und Sonnenschein bringt sie überall.
 
Louis: Fräulein Anna, haben Sie gestern viel Deutsch gesprochen?
 
Anna: O ja, ich habe auch ein wunderschönes Märchen gehört von unserer Freundin, und sie will uns noch viele andere erzählen, sagt sie. Weil Sie mein guter Freund sind, Louis, so will ich Ihnen ein Märchen erzählen. Aber es ist lang.
 
Louis: O, das ist gut, Anna, das ist ja gut. Dann kann ich Sie lange hören. Bitte, beginnen Sie.
 
Anna: Soll ich, Herr Meister?
 
Herr Meister: Bitte, Fräulein, bitte!
 
Anna: Gut, ich werde beginnen. Aber setzen Sie sich näher hierher, Otto. — So.
 
Vor langen, langen Jahren war ein König und eine Königin. Der König hatte ein großes Land, und die Königin war sehr schön, und sie hatten alles, was sie wollten. Nur eins hatten sie nicht: sie hatten keine Tochter. Und nach einer langen Zeit bekamen (ich bekomme, ich bekam, ich habe bekommen) sie eine Tochter. O, da war die Königin so froh! Und der König machte ein großes Fest. Und alle die Ritter kamen, und die Edelfrauen. Und in der großen Halle des Palastes waren viele Tische mit weißem Linnen, und das Linnen war so weiß, wie Schnee. Darauf stand der beste Wein zum Trinken, und die Becher waren von Gold, und alles auf dem Tische war von gutem Gold: die Löffel und die Messer, und die Gabeln und die Teller. Alles war so schön! Und an den Tischen saßen die edlen Herrn und die schönen Damen. Da war auch der Tisch für die zwölf Frauen. Diese Frauen waren nicht jung, und es waren auch keine Edelfrauen. Es waren die weisen Frauen im Lande. In dem Lande aber waren dreizehn weise Frauen. Aber die Königin sagte: »Ich will keine dreizehn Personen am Tische; dreizehn Personen an einem Tische ist nicht gut; die dreizehnte Frau soll (= muß) nicht kommen.« Alle in der Halle waren froh. Da brachte (ich bringe, ich brachte, ich habe gebracht) man die kleine Prinzessin in der Wiege (= ein kleines Bett). O, wie schön sie war! Nun kamen die zwölf weisen Frauen an die Wiege. Die erste von den Frauen sprach: »Prinzessin, ich wünsche, daß du weise werdest!« Die zweite Frau sagte: »Ich wünsche, daß du gut werdest!« Die dritte sagte: »Ich wünsche, daß du schön werdest!« Und auch die vierte sagte einen guten Wunsch (ich wünsche, der Wunsch), und die fünfte, und die sechste, und auch die siebente, die achte, die neunte, zehnte und elfte. Da kam auf einmal in die Halle ein altes Weib. Ihr Haar war wild und los am Kopfe, und sie rief laut: »Und ich wünsche, daß diese Prinzessin am fünfzehnten Geburtstage sich stechen soll mit einer Spindel und tot hinfalle zur Erde!« So sprach die böse Frau und rannte (ich renne, ich rannte, ich bin gerannt) aus der Halle. Und in der Halle war keine Freude mehr. Die zwölfte Frau kam nun an die Wiege und sprach: »O, das ist sehr schlimm (= böse), denn was diese böse Frau gesagt hat, muß kommen. Doch eins kann ich thun, und das will ich thun. Ich sage: Die Prinzessin soll nicht für immer tot sein. Nein, schlafen soll sie; hundert Jahre soll sie schlafen, wie ein Toter, und dann erwachen.« So sprach die zwölfte Frau, die gute, dann ging sie. Und alle gingen; das Fest war zu Ende.
 
Und der König nahm (ich nehme, ich nahm, ich habe genommen) alle Spindeln im Lande, machte ein großes Feuer und verbrannte alle. Da war nicht eine Spindel mehr im Lande, und der König sagte: »Nun kann meine Tochter sich nicht stechen mit einer Spindel.« Und die Prinzessin wurde groß und so schön, daß die Sonne sich wunderte, und so klug (= weise), daß alle Menschen sie lieben mußten.
 
Da kam ihr fünfzehnter Geburtstag. Es war ein schöner Sommertag; Sonnenschein und blauer, klarer Himmel. Und der König und die Königin fuhren (ich fahre, ich fuhr, ich habe gefahren, ich bin gefahren) im goldenen Wagen in den Park. Und die Prinzessin? Die Prinzessin war in dem Garten, und sie fand hier eine Rose und da eine Lilie, und da ein Vergißmeinnicht, und hier eine andere Rose, schöner als die erste, und hier noch eine, und da noch eine. So kam sie weiter und weiter in den Garten und an das Ende. Da war ein Turm. »Den alten Turm habe ich noch nicht gesehen,« sagte die Prinzessin. »Was ist darin (= in dem Turm)?« Und sie öffnete (ich öffne, ich öffnete, ich habe geöffnet) die alte Thür, da war eine alte Treppe von Stein. Sie ging (ich gehe, ich ging, ich bin gegangen) die alte Treppe hinauf, und da war eine andere Thür. Sie öffnete auch diese Thür und sah ein Zimmer, rund und klein, und in dem Zimmer war eine Frau, alt, alt. Sie saß (ich sitze, ich saß, ich habe gesessen) vor einem Spinnrad[VII-3] und spann (ich spinne, ich spann, ich habe gesponnen). Die Prinzessin sagte: »Gute Frau, was thust du da?« »Ich spinne.« »Was für ein Ding ist das, mit dem du spinnst?« »Ein Spinnrad. Willst du spinnen?« »Ja, gute Frau, laß mich spinnen! Laß mich spinnen!« Und die Alte stand auf (ich stehe auf, ich stand auf, ich bin aufgestanden), und die Prinzessin setzte sich (ich setze mich, sie setzte sich) an das Spinnrad. Sie nahm den Flachs in die Hand, setzte den Fuß auf das Spinnrad. »O, wie schön, wie schön geht das!« rief die Prinzessin. »Hm, hm,« machte die Alte. Die Prinzessin sah auf die Alte und stach sich (ich steche mich, ich stach mich, [sie stach sich,] ich habe mich gestochen) mit der Spindel in den Finger. Das Blut kam und die Prinzessin fiel (ich falle, ich fiel, ich bin gefallen) zur Erde. Die böse Alte lachte: »Hi, hi, hi ..... Da liegt sie, die schöne Prinzessin! Hi, hi, hi .....«
 
Der König und die Königin waren wieder in dem Palaste und saßen (ich sitze, ich saß, ich habe gesessen) an dem Tische. Die Königin sagte: »Wo ist meine Tochter, die Prinzes.....« Sie konnte das Wort nicht beenden. In diesem Momente war die Prinzessin im Turme zur Erde gefallen, und in demselben Momente schlief auch die Königin ein und auch der König. Der Diener stand mitten in der Halle mit der goldenen Schüssel voll Suppe in der Hand — und schlief. Auch der Koch schlief in der Küche, und der Küchenjunge beim Feuer; die Pferde im Stalle schliefen, die Hunde in der Hütte und die Fliegen an der Wand. Alles, alles im Schlosse — schlief. Kein Mensch konnte in das Schloß (= Palast) kommen, denn rund um Schloß und Garten waren Dornen.
 
Ein Ritter hatte gehört von der schönen, schlafenden Prinzessin und wollte sie aus dem Schlafe wecken und kam an die Dornhecke. Sie öffnete sich eine Sekunde und klappte schnell zusammen. Der arme Ritter war mitten in den Dornen und mußte sterben. Viele Ritter kamen nach ihm, und alle mußten so sterben.
 
Als hundert Jahre vorbei waren, kam ein schöner Ritter auf einem schönen Pferde. Des Ritters Helm war von Silber und auch die Rüstung. Er selbst war stark und schön und hatte ein gutes Schwert. »Ich will die schöne Prinzessin sehen. Und muß ich sterben in den Dornen, wie die anderen Ritter, so sterbe ich,« sagte der Ritter und ritt (ich reite, ich ritt, ich bin geritten) an die Dornen; die Dornen öffneten sich und — blieben offen; und Rosen waren überall, — Rosen. Und der Ritter kam in den Garten, und auch der Garten war voll von Rosen. Er kam an das Ende des Gartens an den Turm. Er sah die alte Thür, er öffnete sie, ging die Treppe hinauf, öffnete die zweite Thür — da, o Wunder! — vor ihm lag die Schönste unter allen Frauen, die Prinzessin. Er küßte (ich küsse, ich küßte, ich habe geküßt) ihre Stirn und ihre Augen, und da — wachte sie auf (ich wache auf, ich wachte auf, ich bin aufgewacht). »Wo bin ich?« rief sie, und sah verwundert den schönen Ritter. Der Ritter nahm ihre Hand. Und der Ritter und die Prinzessin gingen aus dem bösen Turme durch den schönen Garten in das Schloß (= Palast). Und in derselben Minute wachte auch der König auf und die Königin; der Diener stellte (ich stelle, ich stellte, ich habe gestellt) die Suppe auf den Tisch; der Koch in der Küche kochte wieder, und der Küchenjunge machte das Feuer. Die Pferde im Stalle stampften wieder, und der Hund in der Hütte bellte, und die Fliegen an der Wand summten. Alles wachte, wie zuvor, und alles war wieder gut.
 
Am andern Tage war große Freude im Schlosse. Der Ritter und die Prinzessin »Dornröschen« waren ein Paar, und da war kein Paar schöner im Lande.
 
Louis: Ah, das ist schön, Fräulein Anna!
 
Herr Meister: Hier wollen wir enden. Adieu, meine Freunde!
 
Alle: Adieu, Herr Meister! 
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