Für sie sind es nur ein paar Schrauben. Für ihn ist es DIE Gelegenheit, sein Werkzeug zu präsentieren.
Ein Samstagmorgen, Flohmarkt. Hektisches Treiben, viele Besucher sind schon da, während einige Händler noch ihre Stände aufbauen. Sie und er haben einen Tapeziertisch dabei, auf dem sie die Waren platzieren wollen.
Sie: Mein Gott, wie alt ist das Ding eigentlich? Das ist doch noch von deinen Eltern! Sieht mir nach Sechzigerjahre aus, mindestens. Ein Wunder, dass der noch nicht zusammengebrochen ist.
Er: Also bitte, dieser Tapeziertisch ist aus echtem Holz! Nicht irgendso ein Plastikteil auf Blechbeinchen. Das ist noch richtig gutes Qualitätshandwerk.
Sie: Na ja, er schwankt aber von Jahr zu Jahr bedrohlicher.
Er: Iwo, da schwankt nix. Räumst du schon mal die Kisten aus? Ich brauch jetzt erst mal Kaffee.
Sie: War ja klar.
Er geht zum Kaffeestand. Sie beginnt, das Zeug auszupacken und auf dem Tapeziertisch zu verteilen. Als sie eine Kiste mit Büchern auf dem Tisch abstellt, bricht er plötzlich zusammen. Der ganze Nippes rutscht wie in einen Trichter in die Mitte und auf den Boden. Verzweifelt versucht sie, die Tischplatte nach oben zu drücken und gleichzeitig die Sachen aufzufangen. Einige Leute kommen zuhilfe, stützen den Tisch und sammeln heruntergefallene Stücke ein. In dem Moment kommt er zurück, zwei Tassen Kaffee in der Hand, Butterbrezen unterm Arm.
Er: Was ist denn jetzt wieder?
Sie: Siehst du das nicht? Tu doch was!
Etwas umständlich entledigt er sich der Tassen und der Bäckertüte. Er schiebt einen Umzugskarton unter die eingeknickte Stelle. Dann kriecht er unter den Tisch und sieht sich die metallleiste mit dem Verbindungsscharnier an.
Sie: Und?
Er: Die Schrauben sind alle rausgebrochen. Das kommt davon, dass du immer so viel Zeug drauflädst. Ein Tapeziertisch hält diese schweren Bücher eben nicht aus!
Sie: Ach, dann darf ich wohl nur Tapeten darauf anbieten? Wegen mir hätten wir die Bücher sowieso nicht verkaufen müssen. Würde dir nämlich nicht schaden, ein bisschen mehr zu lesen.
Er: Lenk nicht wieder vom Thema ab. Das Problem ist, dass du die Bücher ausgerechnet in der Mitte des Tisches platziert hast, wo die empfindlichste Stelle ist.
Sie: Seit drei Tagen tue ich nichts anderes als Schränke ausmisten und Zeug sortieren. Soll ich jetzt vielleicht auch noch überlegen, wo bei deinem Tapeziertisch die empfindlichen Stellen sind? Was denn noch alles!
Er: Ist ja gut. Jedenfalls müssen wir das Ding möglichst schnell wieder zusammenschrauben, sonst können wir gleich einpacken. Ich fahr schnell heim und hol Werkzeug - bin gleich zurück!
Sie: Bist ein Schatz. Aber beeil dich!
Nach zehn Minuten ist er zurück. In seinem Kopf spielt sich die Szene folgendermaßen ab: Er - ein Mann der Tat, der personifizierte Problemlöser - betritt die Wiese. Er hält einen Akkuschrauber im Anschlag, um die Hüfte trägt er einen Patronengürtel, in dem zehn Spax stecken. Die Menschenmenge verstummt und teilt sich respektvoll. Während er sich den Weg zu seinem Tapeziertisch bahnt, dröhnt aus imaginären Lautsprechern Puff Daddys "Come with me" - der Soundtrack von Godzilla.