Davit, das. Vorrichtung zum Aufhissen und Aufhängen der Schiffsbeiboote. Meyers Konversationslexikon behauptet mit einer Sicherheit die einer besseren Sache würdig wäre, das Wort sei englisch. Gewiß wird es jenseits des Kanals in derselben Bedeutung gebraucht, aber seine Wiege hat an deutscher Seeküste gestanden. Denn weder in der englischen Form davit, noch in der schwedischen david, noch in der dänischen davit, noch in der holländischen jutt gibt das Wort irgend einen Sinn, den gibt es nur im Deutschen, und zwar in seine Bestandteile zerlegt und in seiner ursprünglichen niederdeutschen Form: Dove Jitte, d. h. taube Jütte. Jütte ist ein gangbarer weiblicher Vorname, Koseform von Judith. Der Name diente einst allgemein zur allgemeinen Bezeichnung des weiblichen Geschlechts. Man sagt noch heute vielfach mal Jitte für albernes Frauenzimmer. Aus dem Mittelalter ist uns der Spruch erhalten: „Lange Kleder un körten syn, dat is syne arth der leven yuten,‟ Im „Reinke de Vos‟ heißt es, da Braun der Bär beim Bauer Rustefyl in die Klemme geraten war: „De Kärkher unde de koester bede. De kwemen dar ok mid erem geräde. De papen-meiershe (Pfarrköchin), de [100]het fru Jütte, de was de, de de baste grütte konde bereiden un koken‟ ... Um Bremen herum und mehr nach Oldenburg und Ostfriesland hin sagte man Jitte. Eine „dove Jitte‟ ist nach dem „Bremer Wörterbuch‟ „ein Weibsbild das nicht gut hört.‟ „Jumfer Jitte mit dem holten Titte, Schimpfname für ein junges Frauenzimmer, deren Busen nicht sonderlich begabt ist.‟ Es kommt auch die Bezeichnung „dumme Jitte‟ eben so häufig vor wie dumme Trine, dumme Liese, schlampige Suse, faule Grete, dove Greetje. Ueberhaupt spielt die Volkssprache gern mit dergleichen Frauennamen. Man denke nur an „schnelle Kathrine.‟ So sagt man „Jumfer Kattel‟ für „menses‟ „Gretchen in der Küche‟ heißt ein ungeborenes Mädchen, wie „Jan im Keller‟ ein ungeborener Knabe. „Gretchen vom Deich‟ wird das Kreuzbramsegel genannt. „Frau Johanna‟, dame Janne, nannten die französischen Matrosen eine dickbauchige korbumflochtene Flasche, was mißverstanden als Demijohn ins englische überging und von da nach Norddeutschland kam, wo es für Korbflaschen, in denen Portwein, Madeira und dergleichen Getränke versandt werden, gebraucht wird und sich eine deutsche Aussprache mit ungewöhnlich langem i gefallen lassen muß. „Liese‟ heißt ein Trinkkrug nicht unbedeutenden Inhalts; „Liese‟ nannten die Soldaten in früheren Zeiten das Strohbündel, auf dem sie liegen mußten, wenn sie Stockprügel bekamen. Wie gern das Volk dergleichen Namen wählt, lehren die volkstümlichen Namen für Nigella damascena: Braut in Haaren, Jungfer im Grünen, Gretel im Grünen, Teufel im Busch, Gretel in der Hütte, Gretchen im Busch, Gretel in der Hecke, Gretel unter den Stauden. Und wie gern der Seemann mit dem ewig Weiblichen zu thun hat, beweist der Name „Jungfer‟ für einen Block von eigenartiger Gestalt. So ist es denn nicht zu verwundern, daß wir in seinem Munde die „dove Jitte‟ finden. Was aber bezeichnet er damit? Daß der Davit früher keine so verbesserte Vorrichtung zum Schwingen war wie heute, liegt auf der Hand. Vor hundert Jahren begnügte man sich noch mit einer recht einfachen Sache. Einfach sogar wörtlich genommen, denn damals bestand der Davit nicht aus zwei, sondern nur aus einem Balken, der zuerst gar nicht zum Bootaussetzen oder Einsetzen, sondern nur zum Ankerlichten bestimmt war. Roeding, der zu Hamburg 1794 das vortreffliche „Allgemeine Wörterbuch der Marine‟ herausgegeben hat schreibt über „taube Jütte‟: „Eine [101]kurze und etwas gekrümmte Sparre von starkem Holz, an deren einem Ende sich eine Scheibe befindet. Sie wird gebraucht, wenn man den Anker im Boot lichtet. Man setzt nämlich die Jütte hinten ins Boot, so daß das Ende, woran die Scheibe befindlich, etwas über den Spiegel des Boots ragt. Über die Scheibe legt man alsdann das Bojereep und windet mit dem Bratspill darauf.‟ „Ähnliche, aber gerade Jütten gebraucht man auch in den Marssen, die Luvpardunen auszusetzen oder zu spannen‟ ... Man kann sich nun leicht vorstellen, daß die eine in Betracht kommende Sparre so in die Spur eingesetzt wurde, daß ein Mann sie mit beiden Armen umfaßte, etwa wie einer seine Jütte umarmt; es war aber nur eine hölzerne, herz- und gefühllose, „taube‟, dove Jütte (wie man auch von einer tauben Nuß spricht). Einmal nun im Scherz dove Jütte oder dove Jitt genannt, leuchtete dieser scherzende Vergleich bald allgemein ein, fand Beifall, Nachahmung, Aufnahme und erwarb sich schließlich in der zusammengezogenen bequeme Form davit (etwa über Dovjit, Dowit) Bürgerrecht in der Seemannssprache. Das Wort müßte demnach eigentlich die Davit heißen, wie der Seemann auch wohl sagt, die Marine schreibt aber der Davit; das Davit kann man auch hören, so daß für jeden Geschmack gesorgt ist. Die moderne Aussprache ist allerdings anglisierend Dävit.