"Weihnachten ist das Fest der Liebe", sagte eine Nachrichtensprecherin im Fernsehen. "So kitschig das auch klingt. Alle sind zusammen und backen Plätzchen, singen Lieder und gehen Geschenke kaufen. An diesem Samstag waren die deutschen Innenstädte voller Menschen, die ein Geschenk für ihre Liebsten suchten …", fuhr sie fort.
Denis brauchte keine Geschenke zu kaufen oder sie jemandem zu schenken, denn er hatte niemanden außer seiner kranken Mutter, die sowieso Koma lag. Das war sein erstes Weihnachten ohne seine Eltern, ganz allein. Okay, seine Mutter wird da liegen, aber sonst niemand. Früher ist er immer mit seinen Eltern zu den Großeltern gefahren, weil sie sehr krank waren und sie nicht besuchen konnten. Doch jetzt muss er auf seine Mutter aufpassen, er kann nicht einfach so weglaufen.
"Na gut, ich gehe dann wieder! Bis morgen!", verabschiedete sich die Krankenschwester und ging hinaus, ließ ihn alleine mit einer Frau, die seine Mutter sein sollte. Man könnte glauben, ein Elfjähriger könnte den Tod seines Vaters, der jedoch schon vor einigen Jahren gestorben ist, und eine seit einem Jahr im Koma liegende Mutter nicht ertragen, doch Denis kam ganz gut damit zurecht. Dachte er. Ja, er war ein tapferer Junge.
24. Dezember:
Heiligabend. Die Krankenschwester hat Denis einen Weihnachtsbaum besorgt und Dekoration, damit er wenigstens etwas von Weihnachten bekommt. Alles leuchtete im Zimmer. Er saß neben seiner Mutter und las verschiedene Weihnachtsgeschichten aus dem gleichen Buch, aus dem früher seine Mutter ihm vorgelesen hat. Rollenwechsel in der Familie. Vor ihm stand ein Tisch mit Plätzchen, Stollen, Kuchen und Tee. Er hatte alles was er brauchte.
Nachdem er seine Lieblingsgeschichte zu Ende gelesen hatte, machte er den Fernseher an und schaute seinen Lieblingsfilm an: Kevin allein zu Hause.
Denis liebte diesen Film über alles. Dabei konnte er lachen ohne Ende.
Auf einmal spürte er leichten Wind im Nacken und stand auf, ging zum Fenster und wollte es schließen, doch es war zu. Man konnte die ersten Schneeflocken sehen. Gerne würde er hinausgehen, doch er konnte seine Mutter doch nicht alleine lassen. Nun machte er sich auf den Weg zum Sessel, doch etwas stimmte nicht. Denis spürte wie er Angst bekam, aber er wusste noch nicht vor was. Er setzte sich hin und versuchte sich zu beruhigen, was nicht richtig funktionierte. Auf den Film konnte er sich nicht mehr richtig konzentrieren und sein Herz schlug immer schneller. Schnell sprang er auf und stürmte zum Telefon. Der Junge wählte die Nummer, die er von Anfang an auswendig gelernt hat: "Bitte kommen Sie!" Eine halbe Stunde später kam der Arzt mit vielen Krankenschwestern und einer Psychologin. Man dachte wohl er bräuchte Hilfe. Ja vielleicht! Inzwischen bewegte seine Mutter die Finger, ganz langsam. So etwas hat er noch nie erlebt.
Es war Heiligabend und ob ihr glaubt oder nicht, für diesen Jungen war er mehr als heilig.