„Wenn das nicht euer Hund ist, dann gebt ihn mir“, sagte der blasse Mann. „Ich kenne nämlich sein richtiges Herrchen.“
Janne warf einen Blick auf P.F.O.T.E.
Aber der Hund schwieg.
Er starrte den blassen Herrn an und seine Schwanzspitze zuckte.
„Natürlich ist das unser Hund", sagte sie schnell. „Aber wir haben ihn gerade erst bekommen, deswegen hat mein Bruder es schon wieder vergessen."
Ihr Herz klopfte wie verrückt. Eigentlich wollte sie nur weglaufen!
Aber sie wusste ja nicht, ob P.F.O.T.E. ihr folgen würde.
Flip starrte sie erstaunt an, aber er widersprach nicht.
Der Mann schüttelte den Kopf „Nein, nein. Das ist nicht wahr. Ich kenne diesen Hund. Ich glaube, ich weiß, wem er weggelaufen ist."
Der Mann bückte sich und streckte die Hand nach P.F.O.T.E. aus.
„Komm schon her, mein Kleiner“, sagte er.
Die Hand roch nach vielem, was P.F.O.T.E. kannte: nach Apparaten aus metall, nach Fliesenböden, nach Computertastaturen, nach abgestandenem Kaffee.
Der Mann kam eindeutig aus dem Labor, auch wenn P.F.O.T.E. ihn noch nie dort getroffen hatte.
Knurrend wich er zurück.
Am liebsten wäre Janne einfach mit P.F.O.T.E. weggelaufen.
Aber der Mann war bestimmt schneller.
Sie musste P.F.O.T.E. vor ihm beschützen.
Niemals würde sie diesen Hund wieder hergeben.
„Sie können uns doch nicht einfach unseren Hund klauen“, sagte sie sehr laut.
Zwei große Schüler mit schwarzen Rucksäcken, die gerade vorbeischlenderten, blieben stehen und wandten die Köpfe.
Der Mann richtete sich wieder auf und sah sich besorgt um.
„Nein, Mädchen, das ist unser Hund", sagte er sehr streng. „Er ist uns leider weggelaufen. Es ist ein einzigartiges, wertvolles Tier und wir müssen es unbedingt wiederhaben.“
Da brach Flip einfach in lautes Weinen aus.
Die Jugendlichen sahen einander an und setzten sich in Bewegung.
„Nun heul doch nicht“, zischte der blasse Mann hastig. „Ihr bekommt einen Finderlohn und kauft euch ein Eis.“
Janne sah wieder den Hund an.
Der stand immer noch wie angewurzelt da und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Mann.
Und dann raste P.F.O.T.E. einfach los.
Er rannte wie aus einer Kanone abgefeuert den Weg entlang, genau auf die beiden Schüler zu.
„Haltet ihn fest!", rief der blasse Mann.
Aber die beiden dachten gar nicht daran. Sie traten zur Seite, damit P.F.O.T.E. ungehindert weiterlaufen konnte.
Dann grinsten sie und kamen näher.
Janne und Flip wollten P.F.O.T.E. hinterher, aber der blasse Mann verstellte ihnen den Weg.
„Das ist mein Hund", sagte er barsch.
„Nein, es ist nicht mein Hund, aber er gehört einem berühmten wissenschaftlichen Institut. Er ist sehr, sehr wertvoll. Und wenn ihr ihn nicht zurückgebt, seid ihr Hundediebe und gehört ins Gefängnis."
Flips Schluchzen wurde noch lauter.
„Ich will nicht ins Gefängnis", schniefte er.
„Ich will von dir kein Eis!“, brüllte Flip.
Jetzt blieben noch mehr Leute stehen. Der Mann sah sich unsicher um.
„Ruft hier an. Wir holen den Hund dann ab. Es ist wirklich wichtig", flüsterte er hastig.
Janne steckte die Karte ein, dann nahm sie den schluchzenden Flip in den Arm.
Sie sah den blassen Mann nicht mehr an.
Der Mann zögerte einen Moment, aber weil jetzt viele Leute ihn komisch ansahen und einer schon sein Telefon aus der Tasche gezogen hatte, zuckte er mit den Achseln und marschierte eilig davon.
Während des Gehens zog er ebenfalls ein Handy aus der Tasche und tippte eine Nummer.
„Hat er euch etwas getan?", fragte einer der Schüler, die jetzt herangekommen waren.
Janne schüttelte den Kopf. „Er sucht bloß seinen Hund."
„Lasst euch von so einem Typen bloß nicht anquatschen!", sagte der Schüler ernst. „Auch nicht, wenn er euch ein Eis oder so was kaufen will!"
„Ich bin ja nicht doof.“ In Jannes Kopf wirbelte alles durcheinander.
P.F.O.T.E. war fortgelaufen.
Die Leute aus dem Labor suchten ihn.
Er war wertvoll, und wenn man ihn zurückgab, bekam man eine Belohnung.
Vielleicht bekam man sogar ganz viel Geld.
Geld konnten ihre Eltern dringend gebrauchen.
Aber nein.
Janne schüttelte grimmig den Kopf.
Wenn P.F.O.T.E. den Mann nicht mochte, hatte das bestimmt einen Grund.
„Wir suchen ihn", sagte sie zu Flip. „Er wartet bestimmt irgendwo auf uns."
„Er hat sein Bällchen liegen lassen", schluchzte Flip.
„Pack es ein." Janne nahm Flip an die Hand.
Flip hob den Ball auf und stolperte neben ihr her.
„Das war ein blöder Mann", schniefte er. „Jetzt ist er abgehauen."
„Ja, er ist abgehauen", bestätigte Janne.
Aber sie sah sich an jeder Ecke um.
Es konnte gut sein, dass der blasse Mann ihnen folgte.
„Ich sehe P.F.O.T.E. nicht", jammerte Flip.
„Bestimmt versteckt er sich", sagte Janne. „Wir finden ihn schon.“
Flip drückte ihre Hand ganz fest.
Und tatsächlich: Am anderen Ende des Parks entdeckten sie den vollkommenen Hund.
Allerdings hätten sie ihn beinahe nicht erkannt.
P.F.O.T.E. hatte nämlich schon wieder einen neuen Freund gefunden, einen winzigen rehbraunen Chihuahua, der mit ihm über die Hundewiese tobte, durch das Laub rollte, unter dem Rasensprenger hindurchsauste und sich in die darunter entstandene Pfütze warf.
P.F.O.T.E. war nass und sein Fell schmutzigbraun, Zweige und Laub hatten sich darin verfangen, die Zunge hing ihm weit aus dem Maul und die Ohren flappten wild hinter ihm her.
„P.F.O.T.E.!", rief Flip, aber der Hund hörte ihn nicht.
Die beiden Kinder setzten sich auf eine Parkbank und sahen den Hunden zu.
Janne drehte sich immer wieder um, aber der blasse Mann war nicht zu sehen.
Sie zog die Visitenkarte aus der Tasche und betrachtete sie.
„Pet-o-Lab", las sie vor. „Institut zur Optimierung von Haustieren."
„Was heißt Opisierung?", fragte Flip.
Janne zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber es klingt langweilig. Hier draußen geht es P.F.O.T.E. ganz bestimmt besser."
Endlich hatte der Hund sie bemerkt.
Er raste auf sie zu und der kleine Chihuahua zottelte hinter ihm her.
„Das ist Knubbel", stellte P.F.O.T.E. den Kleinen vor.
„Mein neuer Freund. Er zeigt mir, was ein richtiger Hund alles können muss. Ich wusste gar nicht, dass Im-Dreck-Wälzen auch dazugehört. Man muss es den hellblauen Menschen unbedingt erklären.“
Knubbel hechelte. Janne erwartete beinahe, dass er etwas sagte, aber natürlich trug der kleine Hund kein Sprachhalsband.
„Er ist übrigens auch weggelaufen“, sagte P.F.O.T.E. „Aber nur kurz. Zum Abendessen geht er wieder nach Hause.“
„Aber du willst nicht nach Hause, oder?", fragte Flip ängstlich. „Ich meine, in deinen Käfig?“
P.F.O.T.E. zögerte. „Nein, eigentlich nicht", gab er zu.
„Ich muss ja noch eine ganze Menge lernen. Schließlich soll ich ein vollkommener Hund sein."
Er überlegte. „Und der Mann, der mich sucht, gefällt mir nicht. Er mag gar keine Hunde. Das kann man riechen."
Er sah Flip an. „Hast du vielleicht daran gedacht, das Bällchen mitzubringen? Ich habe es in der Eile leider liegen lassen."
„Klar, hab ich" sagte Flip stolz.
Als Knubbel das Bällchen sah, stellte er sich sofort auf die Hinterbeine und japste laut.
Flip warf den Ball.
P.F.O.T.E. zuckte es in den Füßen, aber er gewährte Knubbel den Vortritt.
„Knubbel meint übrigens, dass man auf jeden Fall öfter als nur einmal am Tag bellen sollte", sagte er. „Ich würde es gern ausprobieren."
„Menschen mögen es nicht, wenn Hunde dauernd bellen", gab Janne zu bedenken.
„Ach so." P.F.O.T.E. seufzte. „Aber irgendwann werde ich es tun.“
Dann raste er wieder los.
Die anderen Hunde konnten ihm so viel zeigen: Wie man ein Loch in die Wiese buddelte und mit den Zähnen dabei ganze Grasbüschel herausriss.
Wie man einen anderen Hund zum Fangenspiel aufforderte und sich dann jagen ließ, bis einem die Zunge weit aus dem Maul hing.
Wie man balgte und sich auf den Rücken legte, um zu zeigen, dass man verloren hatte.
Wie man Gras fraß und die Erde wieder ausspuckte.
Wie man in den Brunnen sprang und sich danach in der Nähe eines Menschen kräftig das Wasser aus dem Pelz schüttelte.
Ein schwarzer Labrador-Rüde wälzte sich begeistert auf einem angegammelten Fischbrötchen mit Zwiebeln.
P.F.O.T.E. sah ihm aufgeregt zu.
Der Labrador sprang auf und wedelte einladend mit dem Schwanz.
Da warf sich P.F.O.T.E. auf das alte Fischbrötchen, das ins Gras gefallen war, und wälzte sich so ausgiebig darauf, dass der wunderbare Geruch sich in seinem ganzen Fell festsetzte, von der Nase bis zur Schwanzspitze.
Glücklich lief er zu Janne und Flip, aber die beiden teilten seine Begeisterung nicht.
Flip hielt sich die Nase zu. „Du stinkst."
„Richtige Hunde müssen riechen", erklärte P.F.O.T.E. ein bisschen beleidigt.
„Wenn du so stinkst, streichle ich dich nicht mehr“, drohte Janne.
Da sprang P.F.O.T.E. doch lieber noch einmal in den Brunnen.
Er schüttelte sich, dass die Tropfen stoben, und wälzte sich im Gras.
Janne und Flip streichelten ihn.
Dann sah Janne auf die Uhr und stellte fest, dass sie und Flip nach Hause mussten.
Sie hatten schließlich versprochen, zum Mittagessen zurück zu sein.
„Pass auf“, sagte Janne. „Vielleicht kommt der komische Mann aus dem Labor zurück und will dich mitnehmen.“
„Der kriegt mich nicht", versprach P.F.O.T.E.
„Bringt mir was Leckeres mit."
„Magst du Spaghetti?", fragte Flip.
„Keine Ahnung", gab P.F.O.T.E. zu. „Ist Pagetti so ähnlich wie Zitroneneis?"
„Ein bisschen", log Flip. „So ähnlich lecker.“
Janne warf ihm einen strengen Blick zu.
„Aber anders lecker", fügte Flip schnell hinzu.
„Auch gut", sagte P.F.O.T.E. „Ich vertraue euch."
Und er leckte erst Flip und dann Janne quer durchs Gesicht.
„Bäh", machte Flip, aber er grinste.
Janne drückte den nassen Hund an sich.
„Wir kommen wieder", versprach sie. „Sobald wir können."
„Ich freue mich schon", sagte P.F.O.T.E.
„Vielleicht belle ich, wenn ihr kommt. Falls ich bis dahin noch keinen Einbrecher getroffen habe. Man kann auch vor Freude bellen, haben die anderen Hunde gesagt. Das habe ich gar nicht gewusst! Und jetzt gehe ich wieder spielen.“
Und er galoppierte davon.