Das Versteck
Auf dem Weg nach Pentonville holen wir Bob in der Baker Street ab.
Er hat sich von seiner Nachtarbeit erholt und freut sich, dass er uns begleiten darf.
Der echte Direktor Brady ist heilfroh, als wir ihn endlich aus seinem eigenen Gefängnis befreien.
Im Innenhof fällt mir eine schwarze Polizeikutsche auf, die mitten auf dem Platz steht.
Genau, wie ich es mir gedacht habe.
Ich bitte Bob, den Wassereimer und den Schrubber zu holen, die neben einer Regentonne am Haupteingang stehen.
Er bringt mir beides zur Kutsche.
Ich hole mit dem Eimer Wasser aus.
„Was haben Sie vor, Watson?", fragt Sherlock. „Wollen Sie jetzt Polizeikutschen waschen?"
„Nur diese eine, Holmes …", antworte ich und Platsch!, landet das Wasser auf der Seitenwand der Kutsche.
Das Schwarz beginnt zu verlaufen, wie ich es vermutet habe.
Darunter kommt der blaue „Pentonville"-Schriftzug auf dem grauen Grund der Gefängniskutsche zum Vorschein.
„Woher wussten Sie das?", fragt Sherlock.
Er ist sichtlich beeindruckt.
„Nun, ich habe letzte Nacht auch nicht besonders viel geschlafen", antworte ich.
Dabei zwinkere ich Bob lächelnd zu.
„Mich hat die Aussage des Bankdirektors beschäftigt. Er hat zwar nichts gesehen, aber …“, ich steige auf den Kutschbock und läute die Glocke, „… Direktor Spade hat kurz nach dem Überfall eine Glocke gehört, die sich vom Tatort entfernte.
Und das ist ungewöhnlich, finden Sie nicht? Auf jeden Fall ist eine Polizeikutsche zum Transport von Diebesgut sehr hilfreich. Denn sie ist total unauffällig unter lauter anderen Polizeikutschen.“
„Das ist typisch für Professor Moriarty … Gute Arbeit, Watson!", sagt Sherlock.
„Aber wie sind Sie darauf gekommen, dass wir die Kutsche hier finden würden?", fragt er.
Ich bin stolz und geschmeichelt – der Meisterdetektiv fragt mich nach der Auflösung eines Kriminalfalls!
Ich bitte Bob, den Direktor und Sherlock, mir zu der Zelle der sechs Ausbrecher zu folgen.
Ich bin ziemlich nervös und hoffe sehr, dass ich richtigliegen werde – im wahrsten Sinn des Wortes!
Als wir vor der Zelle der Ausbrecher stehen, atme ich erleichtert auf.
Die Betten sehen genauso aus, wie ich es erwartet habe. Mister Brady schließt mir die Zelle auf.
Ich lege mich auf eine der vier dick und fest ausgestopften Matratzen der Etagenbetten.
„Würden Sie uns das bitte erklären, Mister Watson?", fragt Sherlock.
„Aber gern, Holmes", antworte ich im Liegen.
„Es hat mir großes Kopfzerbrechen bereitet, wie die Ausbrecher diese Zelle verlassen konnten."
„Und wie?", fragt Bob neugierig.
„Sie haben die Zelle zunächst gar nicht verlassen", antworte ich und klopfe auf meine unbequem harte Matratze. „Sie haben nur so getan."
Als Sherlock begreift, beginnt er zu lachen.
Bob sieht uns verwundert an.
Ich erkläre: „Als wir mit dem falschen Direktor Brady die Zelle besichtigt haben, waren diese vier Matratzen ziemlich flach und dünn. Furchtbar unbequem, habe ich damals gedacht. Bequemer sind diese vier Matratzen immer noch nicht. Obwohl sie nun viel dicker sind …"
Ich stehe wieder auf und bitte Bob um sein Taschenmesser.
Verwundert reicht er es mir.
Damit schneide ich eine der Matratzen der Länge nach auf.