"Lieber Johann, es ist hier unten wohl schön, und die kleinen Leute sind auch freundlich und tun einem nichts zuleide, aber geheimelt hat es mir hier nie, sondern ist doch immer schauerlich zumute gewesen, und eigentlich froh bin ich hier erst geworden, seit ich dich so lieb habe, und doch nicht recht froh, denn es ist hier doch kein rechtes Leben, wie es für Menschen sein soll. Ich habe hier doch keine Ruhe Tag und Nacht, und ich will es dir nun sagen, was ich immer verschwiegen habe: alle Nacht träumt mir von meinem lieben Vater und von meiner Mutter und von unserm Kirchhofe, wo die Leute so andächtig an den Kirchtüren stehen und auf den Vater warten; und mir ist es dann so sehnsüchtig im Herzen, daß ich Blut weinen möchte, weil ich nicht mit ihnen in die Kirche gehen und beten und Gott loben und preisen kann, wie Menschen sollen. Denn ein christliches Leben ist hier unten einmal nicht, sondern nur so ein buntes, künstliches in der Mitte, wobei einem doch nicht ganz wohl wird, weil es wohl halb heidnisch ist. Und, lieber Johann, auch das mußt du bedenken, wir können hier ja nie Mann und Frau werden, denn es ist hier ja kein Priester, der uns vertrauen kann; und so müssen wir immerfort Brautleute bleiben und können alt und grau darüber werden. Darum denke darüber und mache Anstalt, daß wir von hier kommen; mich verlangt unbeschreiblich, wieder bei meinem Vater und unter frommen Christen zu sein."
Auch für Johann hatten die Hähne ganz wunderbar gekrähet, und er empfand etwas, was er hier unten noch nie empfunden hatte, nämlich eine tiefe Sehnsucht nach dem schönen Sonnenlande, und er antwortete seiner Braut:
Und er war sehr bewegt in seiner Seele und führte sein liebes Kind eilends von dannen. So trieb ihn der Vorsatz fort, der schon in ihm lebendig war. Er hatte aber nicht bemerkt, daß Lisbeth bei seinen letzten Worten totenblaß geworden war, und wie schwer sie ihr aufs Herz gefallen waren; denn sie hatte vorher nicht bedacht, daß sie Dienerin war und ihre fünfzig Jahre aushalten mußte, und daß sie mit ihm nicht fort konnte. Und der Schmerz ward so gewaltig in ihr, daß sie endlich laut weinen und schluchzen mußte und er sie nun fragte, was ihr sei; er wolle ja gern mit ihr fortziehen, ja durch die ganze Welt mit ihr, wohin sie wolle. Da antwortete sie ihm: "Ach! Du bist hier der Herr und kannst es; aber ich bin die Dienerin und muß nach dem strengen Gesetze, das hier gilt, aushalten, bis die fünfzig Jahre um sind. Und was soll ich dann auf der Erde tun, wenn Vater und Mutter lange tot und die Gespielen alt und grau sind? Und du bist dann auch grau und alt; was kann es mir da helfen, daß ich hier jung bleibe und nicht älter werden kann als zwanzig Jahre? Ach, ich arme Lisbeth!"
Sie sprach diese Worte so kläglich aus, daß sie einen Stein hätten rühren können. Und in Johanns Ohren tönten sie wie Donnerschläge, und er ward auch sehr traurig. Denn das fühlte er wohl, ohne sie konnte er von hier nicht gehen—und er konnte doch in seiner Seele nirgends einen Ausweg finden. Sie schieden also, als sie heimgekommen waren, sehr traurig voneinander. Johann aber drückte Lisbeths Hand an sein Herz und küßte sie viel tausendmal und sagte ihr: "Nein, liebe Lisbeth, ohne dich geh ich nimmer von hier, das glaube mir!" Und Lisbeth ward sehr getröstet durch diese Worte.