Manches liebe Jahr hatte Johann hier verlebt, ohne daß er an seine schöne Erde gedacht hätte und an diejenigen, welche er dort oben zurückgelassen hatte; so angenehm verfloß ihm die Zeit, und es währte nicht lange, daß er die Schule viel lieber hatte als den Tanzsaal und alle seine anderen Freuden. Auch hatte er hier unter den Kindern manchen lieben Gespielen und Gespielin gefunden. Nur war das betrüblich, daß diese gewisse Stunden immer dienen mußten und dann nicht mit ihm sein durften, obgleich sie keineswegs hart gehalten wurden und einen sehr leichten und meistens nur spielenden Dienst hatten, denn schwere und schmutzige und mühevolle Arbeit gab es hier unten gar nicht.
Unter allen seinen Gesellen und Gesellinnen hatte Johann niemand lieber als ein kleines, blondes Mädchen, welches Lisbeth Krabbin hieß. Diese war mit ihm aus demselben Dorfe; es war die Tochter des Pfarrers Friedrich Krabbe in Rambin. Sie war als ein vierjähriges Kind weggekommen, und Johann erinnerte sich wohl, wie sie ihm von ihr erzählt hatten. Sie war aber nicht gestohlen von den Unterirdischen, sondern einen Sommertag mit den andern Kindern ins Feld gelaufen. Sie waren zu den Neun Bergen gegangen; da war die kleine Lisbeth eingeschlafen und von den andern vergessen und des Nachts, als sie erwachte, unter die Unterirdischen und mit ihnen unter die Erde gekommen. Johann aber hatte sie nicht bloß deswegen so lieb, weil sie mit ihm aus einem Dorfe war, sondern Lisbeth war von Natur ein ausnehmend freundliches und liebes Kind mit hellblauen Äuglein und blonden Löckchen und dem allerenglischesten Lächeln, und als sie groß ward, war sie ausbündig schön.
Johann ging nun viel spazieren mit seiner süßen, kleinen Braut und ließ den Diener oft zu Hause, denn jetzt waren dort keine Wege und Stege mehr, die er nicht kannte. Und sie spazierten viel in der Dämmerung und oft bis in die sinkende Nacht hinein, ohne daß sie es merkten, wo ihnen die Zeit blieb; denn die Liebe ist eine Zeitdiebin, die ihresgleichen nicht hat. Der Johann war bei diesen Spaziergängen immer fröhlich und munter; aber die Lisbeth war oft stumm und traurig und erinnerte ihn oft des Landes da droben, wo die Menschen wohnen und Sonne, Mond und Sterne scheinen. Weil er das aber immer wegschob durch andere Gespräche, so verstummte sie wieder und seufzte still in sich, vergaß es endlich auch wohl wieder durch das Glück, daß sie an seinen Armen wandeln durfte. Nun begab es sich einmal, daß sie bei einem Spaziergange über ihrer Liebe und dem lustigen Gekose und Geflüster derselben ganz der Zeit vergessen hatten und Gott weiß wie weit geschlendert waren. Es war schon nach Mitternacht, und sie waren zufällig unter die Stelle gekommen, wo die Spitze des gläsernen Berges sich aufzutun und wo die Unterirdischen heraus und herein zu schlüpfen pflegten. Als sie nun da wandelten, hörten sie mit einem Male mehrere irdische Hähne laut krähen. Bei diesem süßen Klange, den sie nun in zwölf Jahren nicht gehört hatte, ward der kleinen Lisbeth gar wundersam um das Herz; sie konnte sich nicht länger halten, sie umfaßte ihren Johann, als wollte sie ihn totdrücken, und netzte ihm mit heißen Tränen die Wangen. So hing sie lange sprachlos an seiner Brust; dann küßte sie ihn wieder und bat ihn, daß er ihnen den unterirdischen Kerker doch aufschließen sollte. Sie sprach ungefähr also zu ihm: