Das war hier auch noch besonders, daß, wie die Diamanten und Edelsteine oben die Sonne und den Mond und die Sterne vorstellen mußten, es hier eigentlich keine Jahreszeiten gab; sondern die Luft war immer gleich, d. h. es war jahraus, jahrein eine milde, linde Frühlingsluft, von Blütenatem durchwehet und von Vogelgesang durchklungen. Doch zwei Tageszeiten gab es, Tag und Nacht, und diese teilten sich wieder in vier Teile, in Morgen, Mittag, Abend und Nacht; doch war der Mittag nicht wärmer als die anderen Tageszeiten. Das aber hatte es hier besonders, daß die Nacht nie so dunkel und der Tag nie so hell ward, als sie oben auf der Erde sind.
Johann hatte viele Monate hier verlebt (ich glaube, es waren zehn), und sie waren ihm hingeschwunden wie ein Tag. Da begegnete ihm etwas, das ihn in die Schule brachte. Ich will erzählen, wie das zuging. Er wandelte einst nach seiner Gewohnheit mit seinem Diener herum. Da sah er in der Abenddämmerung etwas Schneeweißes in eine kristallene Felswand hineinschlüpfen und dann plötzlich verschwinden. Und es hatte ihm gedeucht, daß es von den kleinen Leuten war und daß ihm auch schneeweiße Locken von den Schultern herabhingen. Er fragte denn seinen Begleiter: "Was war das? Gibt es auch unter euch, die in weißen Kleidern gehen wie die Diener und Dienerinnen, die ihr uns abgefangen habt?" Der Diener antwortete: "Ja, es gibt deren, aber wenige, und sie erscheinen nie bei dem Tanze noch an den großen Tafeln außer einmal im Jahre, wann des großen Bergkönigs, der viel tausend Meilen unter uns in der innersten Tiefe wohnt, Geburtstag ist. Darum hast du sie noch nie gesehen. Das sind die ältesten Männer unter uns, und einige von ihnen sind wohl manches Jahrtausend alt und wissen vom Anfange der Welt und vom Ursprung der Dinge zu erzählen und werden die Weisen genannt. Sie leben sehr einsam für sich und kommen nur aus ihren Kammern, daß sie unsere Kinder und die Diener und Dienerinnen unterweisen, für welche hier auch eine große Schule ist; sonst sind sie meist mit der Betrachtung der innerlichen und himmlischen Dinge und mit der Sternkunde und Alchemie beschäftigt. "—"Was? Gibt es hier auch Schulen?" rief Johann. "Das ist nicht recht, Diener, daß du mir das verschwiegen hast; ich habe immer große Lust gehabt, in die Schule zu gehen und etwas Ordentliches zu lernen. "—"Das kannst du haben, wie du willst", antwortete der Diener; "du bist hier der Herr, und was du haben willst, müssen wir dir schon zu Gefallen tun. Du kannst dir einen der schneeweißen Weisen in die Kammer kommen lassen, wenn dir das gefällt, oder kannst auch in eine der Schulen gehen."—"Das will ich gleich morgenden Tages tun", sprach Johann, "und ich will mit in die Schule gehen, wo die Diener und Dienerinnen unterwiesen werden. Denn ich will mit denen lernen, die auf der Erde geboren sind; ihr möchtet mir zu fein sein, und ich käme nicht mit, und der hinterste zu sein wäre unlustig."
Und gleich den andern Morgen ließ Johann sich von dem Diener in die Schule führen, und es gefiel ihm da so gut, daß er nachher nie einen Tag versäumt hat. Das ist nämlich sehr löblich von den Unterirdischen, daß die Kinder, welche zu ihnen herabkommen, immer sehr gut unterwiesen werden, so daß sehr kluge und geschickte Leute aus den Bergen gekommen sind, Männer und Frauen, die ihre Wissenschaft bei den Unterirdischen gelernt haben. Hier waren Meister in allerlei Künsten. Die Kinder lernten schreiben, lesen, rechnen, zeichnen, malen, Geschichten und Märchen aufschreiben und erzählen und wurden zugleich in mancherlei feiner und künstlicher Arbeit unterwiesen. Die Größeren und Fähigeren erhielten auch Unterricht von der Natur und von den Gestirnen und wurden auch in der Dichtkunst und Rätselkunst geübt, welche beiden Künste die Unterirdischen über alles lieben, und womit sie sich bei der Tafel und bei Festen untereinander viel reizen und ergötzen. Der kleine Johann war sehr fleißig und ward bald einer der geschicktesten Zeichner und Maler; auch arbeitete er sehr fein in Silber und Gold und Stein, ja er konnte aus Stein zuletzt so feine Früchte und Blumen wirken, daß man glauben sollte, der liebe Gott, der doch alles auf das schönste und künstlichste geschaffen hat, könne es kaum besser machen; er machte auch hübsche Reimlein, und im Rätselkampf war er so gewandt, daß er fast allen antworten konnte und ihm mancher die Antwort schuldig blieb.