Wenn nach einem deutschen Städtchen aus der nächsten Garnison die Militärkapelle kommt und ein Biergartenkonzert abhält, dann sitzen die unnützen Buben hinter der grünen Hecke des Gartens und gucken hindurch und haben die prächtige Musik mit allem Tschingdara-Bumbum und die Herren- und Damen-Honoratioren, die weißröckigen Mädchen, und all den Kaffee und das Bier – nämlich indem sie sehen, wie es getrunken wird – ganz umsonst. Sie nennen das: ein Heckenbillet nehmen. Ich habe auch ein Heckenbillet genommen: ich sitze hinter der großen Mauer, an der sich rotblühendes Gaisblatt rankt, und kein Mensch im gebildeten Garten weiß, daß ich da bin, und ich höre das süße Vogelkonzert, ich sehe die ernsthaften, andächtigen Bäume und das kindlich lustige Gras, in dem die blauäugigen Veilchen grüßen, ich trinke die wonnige Frühlingsluft – alles umsonst. –
Vor mir an der Mauer hinauf, einer Weinranke entlang, läuft ein winzig klein Vögelein, geschwind wie ein Mäuschen. Pick – pick! hier wetzt es sein Schnäbelein; husch – husch! dort jagt es dem Käferchen nach – und es sieht mich an mit den klugen Augen, als rief' es: Guck, mach' mir das nach! Da ist es oben, reckt die kleinen Flügel und mit einem jubelnden Gekicher ist es davon. – Horch! über mir: da lacht und küßt und tollt ein braunes Drosselpaar. Kokett wiegt sich das Weibchen auf dem schwanken Ast; der Liebste lugt um den Stamm und zwitschert zärtlich: Kind, sühst meck nich? – sühst Du meck nich? – Hier bün eck! hier bün eck! lacht das Weibchen, und fort sind sie, in das Dickicht hinein.
Da kommt wieder mein Sonnenstrahl und lockt mich aus meiner Ruhe und gleitet vor mir her – und ist verschwunden. Wo bin ich? Was wölbt sich über mir – weit, groß, allmächtig. Ich schaue hinaus, und schaue: immer höher, immer gewaltiger weitet sich der grüne Dom von Blättern. Die Zweige der beiden norwegischen Baumriesen neigen sich gegen einander, sie werden zu gothischen Spitzbögen, anstrebend in die Unendlichkeit. Sanftes Dämmerlicht liegt in meiner Kirche. Durch das grüne, schimmernde Blätterdach schaut der Himmel wie blaue, freundliche Sterne. Ein lieblicher Weihrauch umweht mich. Es ist der Duft der kleinen weißen Blüten des wilden Apfelbaumes, der meine Kirche mit wonniger Süße erfüllt. Ich stehe und schaue. Ich breite die Arme aus nach der grünen Unendlichkeit da droben, und es ist still, still, um mich, in mir. –
Als ich hinaustrete aus den dämmernden Bögen meines Domes, liegt die Welt hell zu meinen Füßen. Ihr Duft umhüllt mich. Ihr Licht gleitet warm in mein Herz. Es ist Frühling.
In den Lüften singt es und klingt es – und –
Ich flüstere in die weite Welt: »Wohl süß ist es zu singen,
Wenn Vogelschlag und Frühlingsduft weich dir ins Herze klingen« –
Da lachte der Sonnenschein.