Dunkel wölbt sich der Himmel über der Erde, und die Sterne grüßen einander und winken – das ist das Flimmern – fassen einander bei den Händen und tanzen einen feierlichen Reigen über die unermeßlichen Himmelsbahnen, und »Seht, wie klar die Milchstraße heute Abend ist!« sagen sie auf der Erde. –
Da löst sich ein großer, glänzender Stern vom Firmament, der hat funkelnd im kalten Norden gestanden, zieht seine leuchtende Bahn über den dunkeln Nachthimmel hinweg und fällt zur Erde nieder. –
Da löst sich ein anderer, ein flimmernder, unruhiger Stern vom Firmament, der hat blitzend im Süden gestanden, zieht seine schimmernde Bahn über den dunkeln Nachthimmel und fällt zur Erde nieder. –
Und die beiden schönen Sterne fallen auf die große, weite Erde, in einen Wald voll mächtiger Bäume, süß duftender Blumen, singender Vögelein, spielender Tiere. – Und siehe! da stehen die ersten Menschen, ein Mann und ein Weib, sie blicken einander an, reichen sich die Hände und küssen sich. Die beiden vom Himmel gefallenen, Mensch gewordenen Sterne – sie sind der Glaube, der Glaube an das Schöne, und die Sehnsucht. –
Und wieder und wieder flimmern, zittern, funkeln die Sterne am Himmel. Im Walde der Ewigkeit ruht das Weib in den Armen des Mannes; und sie gebiert ihm die Liebe – das Kind der Sehnsucht und des Glaubens.
Da aber das schöne Menschenpaar ganz allein im großen, weiten Walde wohnt, und nichts weiß von dem Gewimmel des Zwergengeschlechtes weit draußen in der Welt, so wissen sie auch nicht, wen sie wohl zu Gevatter bitten sollen, als sie ihr Kind, die holde Liebe, mit Himmelstau zu taufen gedenken. Schon beginnen die Maiglöckchen ein wunderlieblich Geläut, die Vöglein konzertieren und singen und flöten, und einherziehen gravitätisch die Tiere des Waldes.
Das anmutige Reh äugt mit klugen Augen, das Häslein putzt sich, das Eichhörnchen tanzt, der Dachs lugt hervor aus seinem Versteck, die Eidechsen und Käfer huschen und jagen, die Schmetterlinge gaukeln um die Blätterwiege, in der die Liebe ruht – –, aber niemand ist da, der das Kindlein tauft, und keine Gevatterin, die Liebe über die Taufe zu halten. –
»Ich,« spricht der Fuchs und kommt geschlichen und streckt sein spitzes Näschen zur Wiege des Kindes empor, »ich versteh's, das Taufen, bin bei den Jesuiten in die Lehre gegangen, bin gut katholisch und sehr schlau.«
»Krah, krah!« krächzt ein großer, schwarzer Kolkrabe, »hier, nehmt mich! Strengorthodox, schwarz, düster, wie meine Religion.«
»Vielleicht alttestamentarisch?« fragt höflich ein Eidechslein, glitzernd von Gold, und dreht und windet sich immer wieder heran.
»Oder gar freisinnig?« klappert der Storch, spießt nach dem Eidechslein, kröpft sich und schlägt sehr stolz und freisinnig mit den Flügeln.
Vater Glaube und Mutter Sehnsucht schütteln die schönen Häupter und blicken ratlos um sich – doch sieh! Licht, Sonnenschein überall um sie her, flutet über Blumen und Vöglein und Tiere hin, und
»Ich,« spricht der Sonnenstrahl, »will die Liebe taufen. Ich dringe ihr ins Herz hinein, ich wohne in ihren Augen. In jedem Lächeln ihres Mundes zittere Sonnenschein, in jeder Bewegung ihrer Glieder herrsche Anmut, Freude, Wärme.« Und
»Wir,« klingen sanfte und wunderbar eindringliche Stimmen, »wir wollen Paten sein.« Zwei Frauengestalten neigen sich zu jeder Seite der Wiege, in der die Liebe schlummert, so schön, so überirdisch schön, daß Glaube und Sehnsucht demütig niederknieen. Die wissen nicht, ist es ein und dieselbe, die zwei Gestalten angenommen hat, oder sind es zwei hehre Frauen, die da niedergestiegen sind aus den Wolken, die Liebe zu segnen. Wunderbar ähnlich sind sich die Schwestern, nur trägt die eine langwallende Gewänder, und sie hält ein lieblich Kindlein fest an ihr Herz gedrückt, und mild und rein ist das Lächeln ihres Mundes. Unverhüllt glänzen der andern herrliche Glieder, süß berauschend wirkt ihre Nähe, und heiße Glut entströmt den Augen.
Die beugt sich nieder zur Blätterwiege und küßt das schlummernd Kindlein auf die unschuldigen Lippen, und spricht:
»Deinen Körper gib hin, o Liebe, und all deine Sinne und jede Fiber deines Herzens!«
Da legt die Erste segnend die Hand auf des Kindes Haupt:
»Deine Seele gib,« hauchte sie, »und Mutterliebe sei dein Glück!« –