Es war ein trüber Tag auf See. Schon vor Stunden war es hell geworden, die Sonne hatte sich trotzdem noch nicht blicken lassen. Sie verbarg ihr wärmendes Antlitz hinter einer dicken Wolkendecke. Dazu kam, dass man kaum vom Bug zum Heck und umgekehrt sehen konnte, denn es lag dichter Nebel über den Wassern.
»Holt noch ein Segel ein!«, befahl der Kapitän der Mannschaft. »Ich will nicht, dass wir auf ein Riff stoßen. Diese Gegend ist nicht ungefährlich.«
Das Handelsschiff wurde langsamer. Beinahe lautlos glitt es durch das Meer. Der Steuermann verließ sich bei seiner Arbeit komplett auf einen Matrosen, der auf dem Klüvermasten saß und nach Hindernissen Ausschau hielt.
»Schiff voraus!«, rief dieser, als er einen Schatten im Nebel entdeckte. »Nach Backbord ausweichen!«
Der Steuermann riss das Steuerrad herum, die flatterten kurz im Wind, bevor sie sich auf der anderen Seite des Schiffes wieder strafften. Wenige Augenblicke verschwand alle Farbe aus dem Gesicht des Matrosen. Er begann am ganzen Körper zu zittern, denn er wusste, dass es nur noch Minuten bis zum Angriff dauern konnte. »Piraten!«
Der Kapitän schob den Steuermann zur Seite. Hektisch riss er das Steuer herum. Es war allerdings bereits zu spät. In nur wenigen Metern Entfernung holten sie auf. Entgegen aller düsteren Erwartungen blieb es merkwürdig ruhig.
Der Kapitän verließ die Brücke, stellte sich an die Reling und versuchte, im Nebel etwas zu erkennen. Als der die Piraten sah, fielen ihm beinahe die Augen aus ihren Höhlen. Die Männer saßen ausnahmslos zitternd auf dem Boden und hielten sich gegenseitig fest.
Der Kapitän lachte. »Was ist denn bei euch los? Habt ihr etwa ein Gespenst oder ein Seemonster gesehen?«
Einer der Piraten sah kurz auf, schüttelte den Kopf und zeigte auf die Piratenflagge. Die an der Spitze des Hauptmastes wehte. Darauf waren, wie es jeder Seemann kannte, ein Totenschädel und zwei gekreuzte Schenkelknochen.
»Der Tod wacht über uns und droht, die ganze Mannschaft auszulöschen. Wir fürchten uns vor dem Knochenmann.«
Der Kapitän schüttelte den Kopf. So seltsame Piraten hatte er auch noch nicht erlebt. Er ließ mehrere Seite zum anderen Schiff werfen, ließ seines längsseits steuern und führte die Piraten an Bord. Die erleichterten Männer ließen sich widerstandslos in einer Zelle einsperren. So einfach hatten sich Freibeuter noch nie dingfest machen lassen.