Ich hatte mich früh auf den Weg gemacht. Ich hatte mir
vorgenommen, diesen Tag zu genießen. Denn es ist etwas Großes,
etwas Besonderes, wenn man nach einem überwältigenden Triumphe
einen stillen Ort betritt. Ein Büro, noch bevor die Betriebsamkeit des
Alltags ihren Anfang nimmt, ein vom berauschten Publikum geleertes
Stadion, durch das noch der Wind des Siegers weht, oder auch,
sagen wir, das eroberte Paris um fünf Uhr morgens.
Ich ging zu Fuß, ich wollte die Stadt für mich. Die Sonne erhellte
bereits den klaren Frühlingsmorgen, die Luft war von angenehmer
Kühle und auch noch sauberer als etwa zur Mittagszeit. In den
Grünanlagen führten vernachlässigt gekleidete Berliner ihre Hunde
das erste Mal an diesem Tage vor die Türe, die mir allmählich
vertrauten verwirrten Frauen sammelten den üblichen Kot in ihre
Tüten. Eine geistesabwesende, wohl durchaus unausgeschlafene
Raucherin führte gar zu meiner stillen Erheiterung die Tüte an den
Mund, um hernach die Hand mit der Zigarette zu den
Hinterlassenschaften ihres wahrlich winzigen Hundes zu beugen. Sie
schüttelte den Kopf, rieb sich die Augen und korrigierte den Irrtum.
Die Vögel stimmten ihren Morgengesang an, mir fiel wieder einmal
auf, um wie vieles stiller eine Stadt doch ist ohne das Feuer der
Flugabwehrkanonen. Überhaupt herrschte eine außerordentlich
friedliche Stimmung, die Temperatur war jetzt schon sehr angenehm.
Ich machte eigens einen kleinen Umweg, um am Kiosk des
Zeitungskrämers vorbeizusehen, doch selbst dort herrschte noch die
tiefste Stille. Ich atmete tief ein und schritt tüchtig aus, bis ich am
Firmengebäude eintraf. Ich öffnete die Eingangstüre, ich stellte
zufrieden fest, dass noch nicht einmal ein Portier in seiner Loge saß.
Er hatte am Vorabend ein Schutzfutteral über den Telefonapparat
gezogen, wie schon mehrfach konnte ich nicht umhin, darin ein
weiteres Indiz seiner außerordentlich gewissenhaften Arbeitsweise
erfreut zur Kenntnis zu nehmen. Vor seinem Abteile standen große
Zeitungspakete, die er später zu verteilen hätte. Bormann hätte es
wohl nicht gerne gesehen, aber ich gehöre nun einmal nicht zu jenen,
die in Kleinigkeiten unbedingt auf Hierarchien achten, insofern hatte
ich keine Bedenken, mir einfach selbst die morgendliche Lektüre zu
entnehmen. Ich nahm den Schreibstift, der an einer langen Kette an
der Theke befestigt war, und notierte auf einen der Lieferzettel: »Habe
meine Zeitungen schon entnommen. Danke.«, und signierte mit »A.
Hitler«. Die »Bild«-Zeitung, so nahm ich zufrieden zur Kenntnis, hatte
mich wieder einmal zum Tagessieger von irgendetwas erklärt. Die
Dringlichkeit einer neuerlichen Gleichschaltung der deutschen Presse
sank.
Dann schritt ich, die Zeitschriften unter dem Arm, versonnen voran
durch die Flure. Sonnenlicht schien durch die oberen Fenster herein,
hinter den verschlossenen Glastüren sah man einige Telefonapparate
blinkten, doch kein Ton war zu vernehmen. Die Stühle standen in den
Arbeitsräumen an den Schreibplätzen, es war, als nähme man eine
Möbelparade ab. Ich bog in den Flur, der mich zu meinem Büro führte,
als ich dort durch die Türe einen Lichtschein wahrnahm. Ich ging
zögernd näher.
Die Türe stand offen. Dahinter, an ihrem Schreibtisch, saß Fräulein
Krömeier und tippte etwas in ihren Apparat.
»Guten Morgen«, sagte ich.