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Briefwechsel mit Goethes Mutter:Winckel, am 25. Juni.

时间:2025-01-22来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Briefwechsel mit Goethes Mutter
Frau Rat, ich war mit dem Franz auf einer Eisenschmelze, zwei Tag' mußt' ich in der engen Talschlucht aushalten, es regnete oder vielmehr näßte fortwährend, die Leute sagten: »Ja, das sind wir gewohnt, wir leben wie die Fisch', immer naß, und wenn einmal ein paar trockne Tage sind, so juckt einem die Haut, man möchte wieder naß sein.« Ich muß mich besinnen, wie ich Ihr das wunderliche Erdloch beschreibe, wo unter dunklen gewaltigen Eichen die Glut hervorleuchtet, wo an den Bergwänden hinan einzelne Hütten hängen, und wo im Dunkel die einzelnen Lichter herüberleuchten und der lange Abend durch eine ferne Schalmei, die immer dasselbe Stückchen hören läßt, recht an den Tag gibt, daß die Einsamkeit hier zu Haus' ist, die durch keine Geselligkeit unterbrochen wird. Warum ist denn der Ton einer einsamen Hausflöte, die so vor sich hinbläst, so melancholisch langweilig, daß einem das Herz zerspringen möcht' vor Grimm, daß man nicht weiß, wo aus noch ein; ach, wie gern möcht' man da das Erdenkleid abstreifen und hochfliegen weit in die Lüfte; ja, so eine Schwalbe in den Lüften, die mit ihren Flügeln wie mit einem scharfen Bogen den Äther durchschneidet, die hebt sich weit über die Sklavenkette der Gedanken ins Unendliche, das der Gedanke nicht faßt. –
 
Wir wurden in gewaltig große Betten logiert, ich und der Bruder Franz, ich hab' viel mit ihm gescherzt und geplaudert, er ist mein liebster Bruder. Am Morgen sagte er ganz mystisch: »Geb einmal acht, der Herr vom Eisenhammer hat ein Hochgericht im Ohr;« ich konnt's nicht erraten; wie sich aber Gelegenheit ergab ins Ohr zu sehen, da entdeckt' ich's gleich, eine Spinne hatte ihr Netz ins Ohr aufgestellt, eine Fliege war drin gefangen und verzehrt, und ihre Reste hingen noch im unverletzten Gewebe; daraus wollte der Franz das versteinerte langweilige Leben recht deutlich erkennen, ich aber erkannte es auch am Tintefaß, das so pelzig war und so wenig Flüssiges enthielt. Das ist aber nur die eine Hälfte dieses Lochs der Einsamkeit. Man sollt's nicht meinen, aber geht man langsam in die Runde, so kommt man an eine Schlucht. Am Morgen, wie eben die Sonne aufgegangen war, entdeckte ich sie, ich ging hindurch, da befand ich mich plötzlich auf dem steilen höchsten Rand eines noch tieferen und weiteren Talkessels, sein samtner Boden schmiegt sich sanft an die ebenmäßigen Bergwände, die es rund umgeben und ganz besäet sind mit Lämmer und Schafen; in der Mitte steht das Schäferhaus und dabei die Mühle, die vom Bach, der mitten durchbraust, getrieben wird. Die Gebäude sind hinter uralten himmelhohen Linden versteckt, die gerade jetzt blühen, und deren Duft zu mir heraufdampfte, und zwischen deren dichtem Laub der Rauch des Schornsteins sich durchdrängte. Der reine blaue Himmel, der goldne Sonnenschein hatte das ganze Tal erfüllt. Ach lieber Gott, säß' ich hier und hütete die Schafe und wüßte, daß am Abend einer käm', der meiner eingedenk ist, und ich wartete den ganzen Tag und die sonneglänzenden Stunden gingen vorüber und die Schattenstunden mit der silbernen Mondsichel und dem Stern brächten den Freund, der fänd' mich am Bergesrand ihm entgegenstürzend in die offne Arme, daß er mich plötzlich am Herzen fühlte mit der heißen Liebe, was wär' dann nachher noch zu erleben? Grüß' Sie Ihren Sohn und sag' Sie ihm, daß zwar mein Leben friedlich und von Sonnenglanz erleuchtet ist, daß ich aber der goldnen Zeit nicht achte, weil ich mich immer nach der Zukunft sehne, wo ich den Freund erwarte. Adieu, leb' Sie wohl. Bei Ihr ist Mitternacht eine Stunde der Geister, in der Sie es für eine Sünde hält, die Augen offen zu haben, damit Sie keine sieht; ich aber ging eben noch allein in den Garten durch die langen Traubengänge, wo Traube an Traube hängt vom Mondlicht beschienen, und über die Mauer hab' ich mich gelehnt und hab' hinausgesehen in den Rhein, da war alles still. Aber weiße Schaumwellen zischten, und es patschte immer ans Ufer, und die Wellen lallten wie Kinder. Wenn man so einsam nachts in der freien Natur steht, da ist's, als ob sie ein Geist wär', die den Menschen um Erlösung bäte. Soll vielleicht der Mensch die Natur erlösen? Ich muß einmal darüber nachdenken; schon gar zu oft hab' ich diese Empfindung gehabt, als ob die Natur mich jammernd wehmütig um etwas bäte, daß es mir das Herz durchschnitt, nicht zu verstehen, was sie verlangte. Ich muß einmal recht lang dran denken, vielleicht entdeck ich etwas, was über das ganze Erdenleben hinaushebt. Adieu, Fr. Rat, und wenn Sie mich nicht versteht, so denk' Sie nur, wie Ihr noch immer in Ihren jetzigen Tagen ein Posthorn, das Sie in der Ferne hört, einen wunderlichen Eindruck macht, ungefähr so ist mir's auch heute.
 
Bettine.
 
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