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Neuntes Kapitel. Robinson entdeckt Spuren von Menschen.-2

时间:2020-12-31来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Neuntes Kapitel

Eigentlich hätte ich mich freuen sollen, nach so langer Einsamkeit einmal die Spur eines menschlichen Wesens zu treffen; mein erster Gedanke galt jedoch den Wilden, den Menschenfressern, die, wie früher erwähnt, die benachbarten Gebiete oder Inseln bewohnen sollten. Wie vom Blitz getroffen, blieb ich beim Anblick des Fußabdrucks stehen; ich lauschte, ich blickte umher, sah und hörte aber nicht das Geringste. Ich bestieg in der Nähe einen kleinen Hügel, von welchem aus ich einen größeren Raum überblicken konnte; dann ging ich wieder an das Ufer des Meeres hinab und durchlief die Küste von einer Seite zur andern, um zu sehen, ob noch andre Fußtritte im Sande abgedrückt wären, aber ich konnte nichts entdecken. Hierauf untersuchte ich die zuerst erblickte Spur noch einmal, um mich zu vergewissern, ob mich vielleicht meine Sinne getäuscht hätten. Allein Zehen, Ferse, Ballen, kurz alle Teile eines Menschenfußes waren nur zu deutlich abgedrückt. Woher mochte diese Spur kommen?

Es schien fast unmöglich, dieses Geheimnis zu enträtseln. Entsetzen durchfuhr meine Glieder, wenn ich an die kaum mehr zu bezweifelnde Nähe von Kannibalenhorden dachte, und in äußerster Verwirrung schlug ich den Heimweg ein. Jetzt erschrak ich vor jedem Strauche, vor jedem Baume und fürchtete bei dem Rascheln eines Blattes einen Wilden auf mich losstürzen zu sehen. In halber Besinnungslosigkeit traf ich endlich wieder in meiner Burg ein, ohne daß ich mich nachträglich besinnen konnte, ob ich auf der Leiter oder durch die Felsenthür hereingekommen war. Kein Fuchs sucht hastiger seinen Bau auf, als ich nach meinem Zufluchtsorte eilte.

Vor Sorgen vermochte ich die ganze Nacht kein Auge zuzudrücken. Meine erregte Einbildungskraft erschreckte mich durch die furchtbarsten Trugbilder, und ich glaubte sogar einen Augenblick, daß jene Spur von dem leibhaftigen Gottseibeiuns herrühre. Konnte denn irgend ein menschliches Geschöpf ohne Fahrzeug meine Insel erreichen? Wo aber war irgend ein Schiff zu sehen, und wie kam es, daß ich nur eine einzige Fußspur entdeckte, da doch der Boden ringsum ganz dieselbe sandige und lockere Fläche zeigte?

Die Fußspur im Sande kam mir nicht aus dem Sinn. Konnten aber nicht die Kannibalen von jenem Festlande, welches ich gesehen hatte, durch irgend welchen Zufall auf meine Insel verschlagen worden sein? Vielleicht fühlten sie, da sie gerade an dem ödesten Teile der Insel landeten, kein sonderliches Behagen, hier Hütten zu bauen; sie konnten dann sehr wahrscheinlich meine Piroge gesehen und hieraus geschlossen haben, daß die Insel von Menschen bewohnt sei. Wie, wenn sie nun in größerer Anzahl von neuem erschienen, mich gefangen nahmen und nach ihrer barbarischen Weise schlachteten und verzehrten? Oder, wenn auch das nicht, so konnten sie doch meine Ziegen wegführen, meine Felder zerstören und mich meiner Vorräte berauben.

Solche und ähnliche Gedanken marterten meinen Geist drei Tage und drei Nächte lang, und ich wagte nicht, nur einen Schritt weit von meiner Felsenburg mich zu entfernen. Indessen gingen meine Vorräte an Wasser, Milch und Gerstenkuchen völlig zu Ende, und ebenso notwendig, als diese zu ersetzen waren, mußte ich meine Ziegen melken, weil sonst zu befürchten stand, daß ihnen die Milch vergehen möchte. Da half kein Zaudern mehr, und so schwer es mir auch ankam, wieder landeinwärts zu gehen, so mußte ich mich doch der Notwendigkeit fügen. Nachdem ich einige Schritte gegangen war, wurde ich etwas beherzter, ja ich fing an, mich über meine Zaghaftigkeit selbst auszuschelten. Dann endlich an Ort und Stelle angekommen, melkte ich meine Ziegen, welche mich schon längst erwartet zu haben schienen.

Einige Tage verlebte ich hier, ohne daß ich etwas Besonderes bemerkt hätte. Ich streifte wieder mit meiner Flinte umher, besichtigte meine Pflanzungen und melkte meine Ziegen wie zuvor; aber meine frühere Ruhe und Unbefangenheit waren dahin. »Die Fußspur! die Fußspur!« Ich mußte Gewißheit darüber haben, ob ich den Abdruck meines eignen oder eines fremden Fußes gesehen habe. Zu meiner Beruhigung entschloß ich mich endlich, noch einmal an Ort und Stelle eine genaue Besichtigung vorzunehmen. Als ich aber den Ort des Schreckens erreichte, überzeugte ich mich zunächst, daß ich bei meiner Landung mit dem Boote unmöglich diese Gegend berührt haben konnte, denn sie lag jedenfalls weit davon entfernt. Nachdem ich vollends die rätselhafte Spur mit meinem Fuße gemessen hatte, ergab sich's deutlich, daß sie viel länger und breiter war. Nun stellte es sich für mich als klar und unumstößlich heraus: das Merkmal rührte von einem fremden und sicherlich wilden Menschen her.

Bei dieser Entdeckung bemächtigte sich meiner von neuem Angst und Bangen, eisiger Frost schüttelte mich wie einen Fieberkranken; ich wußte nicht, was ich beginnen sollte. Die Furcht gab mir die unsinnigsten Gedanken ein.

Im ersten Augenblick wollte ich meine Umzäunungen niederreißen und all mein Vieh in den Wald hinauslassen, aus Furcht, daß es der unbekannte Feind finden und verlockt werden möchte, öfter hierher zurückzukehren. Dann wollte ich meine Pflanzungen, mein Zelt und das schützende Wäldchen vernichten, um jede Spur einer menschlichen Wohnung zu tilgen. Die Verwirrung meiner Gedanken hielt mich die ganze Nacht munter, und erst gegen Morgen schlief ich bis zum Tode ermattet ein. Als ich erwachte, dachte ich weniger befangen über meine Lage nach. Endlich kam ich zu dem Schluß, daß die anmutige und fruchtbare, nur in mäßiger Entfernung vom Festland gelegene Insel nicht so ganz verlassen sein könne, als es mir bis jetzt vorgekommen, und daß sie wenigstens mitunter von Wilden, die entweder freiwillig oder gezwungen mit ihren Kanoes hier landeten, besucht würde. Zwar hatte ich seit den fünfzehn Jahren meines Aufenthalts auf dieser Insel noch keinen einzigen Menschen gesehen; doch mochte dies ohne Zweifel daher rühren, daß diejenigen, welche aus irgend einem Grunde hierher kamen, keine Veranlassung fanden, länger zu verweilen. Die einzige Gefahr für mich war eine zufällige Landung herumstreifender Menschen vom Festlande. Da es aber wahrscheinlich war, daß diese nicht leicht aus eignem Antriebe die Insel besuchen würden, so beeilten sie sich auch wohl, dieselbe schnell zu verlassen, und mochten sich nicht einmal eine Nacht an der Küste aufhalten, aus Furcht, die günstige Strömung und die Tageshelle zur Rückfahrt entbehren zu müssen. Sonach hatte ich also für den Fall, daß die Anwesenheit von Wilden außer allem Zweifel stand, nichts weiter zu thun, als mich in meine Festung zurückzuziehen und mich hinter den Wällen still zu verhalten.

Trotz solcher beruhigenden Erwägungen steigerten Zweifel meine Unruhe und Angst. Mein Vertrauen auf die allwaltende Güte Gottes war dahin; Trübsal und Verwirrung umschatteten meinen Geist so sehr, daß er sich nicht aufzurichten vermochte in einem Gebet zu dem, der da spricht: »Rufe mich an in der Not, und ich will dich erretten.« Hätte ich nur auf diese Stimme gehört und den Herrn in meiner Not angerufen, so wären sicherlich fester Mut und größere Beharrlichkeit in meine Seele eingezogen; Zaghaftigkeit und Furcht, die alle meine Sinne gefangen hielten, würden dann niedergekämpft worden sein. 
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