Und aufs neue verbarg Irma ihr Gesichtchen und weinte bitterlich.
„Aber Kindchen,“ sagte die Großmutter, deren Augen leuchteten und die trotz Irmas Tränen sehr glücklich war, „dann brauchst du doch nicht so zu weinen, dann kann ja alles noch gut werden.“
„Nein, nie, niemals, ich habe alles verspielt.“
„Warum? Wirklich, Kind, ich möchte dir keine Hoffnung machen, wenn ich dächte, daß später wieder eine neue Enttäuschung folgen könnte, aber ich weiß es ganz gewiß, daß Hans Reicher dich noch immer liebt.“
„Das kann schon sein, aber du weißt nicht, was er mir an jenem schrecklichen Abend gesagt hat.“
„War das so arg?“ fragte Ilse nun doch beunruhigt. „Kannst du mir's nicht erzählen?“
Sehr langsam, als koste es sie große Mühe, kam es von Irmas Lippen:
„Großmama, er hat mir an dem Abend gesagt, daß ich eine oberflächliche Kokette sei, daß er mich nicht zum Weibe nehmen würde, und wenn ich ihn auf den Knien darum anflehte. Nur wenn ich einsähe, wie tief ich ihn gekränkt habe, und aus eigenem Antrieb zu ihm käme, um ihm zu sagen, daß ich ihn über alles liebe und mir ohne ihn kein Glück denken könne, würde er mir verzeihen und mir die Hand reichen.“
„Nun?“ fragte Frau Gontrau, als Irma schwieg.
„Was meinst du?“
„Na, du siehst es doch nun ein, daß du ihn über alles lieb hast.“
„Aber Großmama,“ rief Irma, „du kannst doch nicht denken, daß ich ihm das sagen würde, daß ich mich so erniedrigen könnte?“
„Natürlich denke ich das und sehe gar nichts Erniedrigendes darin.“
Irma trocknete ihre Tränen. „Nie werde ich einen Mann bitten, mich zum Weibe zu nehmen. Was Hans von mir fordert, ist unmöglich. Kommt er wieder und macht mir einen Antrag, so werde ich ‚ja‘ sagen, der Himmel weiß, mit welcher Freude! Aber er muß zu mir kommen.“
„So weit ich ihn kenne, wird er das nie tun, Irma.“
„Nein, Großmama, daher habe ich auch keine Hoffnung mehr auf künftiges Glück.“
Es herrschte Schweigen. Gedankenvoll schaute Ilse ins Feuer und überlegte, wie sie die Kleine am besten von ihrem Unrecht überzeugen könne. Endlich nahm sie ernst das Wort:
„Mein Liebling, der Kummer, den Baron von Hochstein dir bereitete, hat seine gute Seite gehabt, denn er hat dich viel verständiger gemacht und dir die Augen für die wahren Verdienste eines Mannes geöffnet. Trotzdem war die Lehre noch nicht stark genug, dich von deinem größten Fehler zu heilen.“
„Und der wäre, Großmama?“
„Deine Eitelkeit, Irma.“
„Was die damit zu schaffen hat, verstehe ich nicht.“
„Deine Eitelkeit verbietet dir, einfach zu Hans zu gehen und ihm zu gestehen, daß du unrecht gehabt hast. Du hältst es für ein viel anziehenderes Bild, ihn zu deinen Füßen zu sehen, als dich zu den seinigen.“
Irma wurde dunkelrot. Sie fühlte, daß die Großmama den Nagel auf den Kopf traf.
„Du bist doch zu mir gekommen und hast mich um Verzeihung gebeten, und dasselbe willst du nicht für den Mann tun, den du doch so unendlich viel mehr lieben mußt als mich!“