»Still, still, lieber Cousin! Nicht so laut, wir wollen niemanden wecken.« Sie öffnete die Börse. »Hier sind die Ersparnisse eines armen Mädchens, das keine Bedürfnisse hat. Charles, nehmen sie an! Heute morgen noch wußte ich nicht, was Geld für eine Sache ist. Sie haben es mich gelehrt: es ist ein Mittel zum Zweck; das ist alles. Ein Cousin ist fast ein Bruder; Sie können sich getrost die Börse Ihrer Schwester ausleihen.«
Eugénie, die ebensoviel Weib war wie junges Mädchen, hatte eine Weigerung nicht vorausgesehen; der Cousin aber blieb stumm.
»Sie weisen es wirklich zurück?« fragte Eugénie, deren Herzschläge in dem tiefen Schweigen hörbar waren.
Es beschämte sie tief, daß er so zögerte. Aber die Notlage, in der er sich befand, trat ihr noch lebhafter vor Augen, und sie sank in die Knie.
»Ich werde mich nicht eher wieder erheben, als bis Sie das Geld angenommen haben!« sagte sie. »Mein Cousin, Erbarmen! Antworten Sie! . . . Damit ich weiß, ob Sie mir die Ehre erweisen, ob Sie edel sind, ob . . .«
Als Charles diesen Verzweiflungsschrei eines reinen, vornehmen Herzens hörte, ergriff er die Hand der Cousine, um sie emporzuziehen, und seine Tränen fielen auf diese Hand. Als Eugénie die warmen Tropfen spürte, sprang sie auf, ergriff die Börse und schüttete den Inhalt vor ihm auf den Tisch aus.
»Also ja, nicht wahr?« sagte sie, vor Freude weinend. »Seien Sie unbesorgt, lieber Cousin, Sie werden reich werden. Dies Gold wird Ihnen Glück bringen; eines Tages werden Sie es mir zurückgeben; oder wir wollen uns zusammentun; ich bin ja zu allen Bedingungen bereit, die Sie mir auferlegen. Aber Sie dürfen diese Gabe nicht gar zu hoch bewerten.«
Charles fand endlich Worte: »Ja, Eugénie, ich hätte eine recht kleinliche Seele, wenn ich mich jetzt noch weigern wollte. Doch – umsonst ist der Tod! – Vertrauen gegen Vertrauen!«
»Was meinen Sie?« fragte sie erschreckt.
»Also passen Sie auf, liebe Cousine, ich habe hier . . .«
Er unterbrach sich und wies auf ein viereckiges Kästchen in Lederfutteral, das auf der Kommode stand.
»Sehen Sie, ich habe da etwas, das mir ebenso teuer ist wie mein Leben. Dies Kästchen ist ein Geschenk meiner Mutter. Seit heute morgen mußte ich daran denken, daß sie, wenn es ihr möglich wäre, wohl gern aus dem Grabe steigen würde, um das Gold zu verkaufen, das ihre Zärtlichkeit auf das Kästchen verschwendete; würde ich selbst das tun, so würde ich eine Entweihung begehen.«