Harry erfuhr also fünf lange Wochen nichts von seinen Zaubererfreunden und dieser Sommer erwies sich als fast soschlimm wie der letzte. Nur einen kleinen Lichtblick gab es:Nachdem er den Dursleys geschworen hatte, dass er Hedwigkeine Briefe für die Freunde in den Schnabel stecken würde,hatten sie ihm erlaubt, seine Eule nachts herauszulassen. onkelVernon hatte nachgegeben wegen des Höllenlärms, den Hedwigveranstaltete, wenn sie die ganze Zeit in ihrem Käfigeingeschlossen blieb.
Harry unterbrach seine Arbeit über Wendeline die Ulkigeund lauschte in die Nacht hinein. Die Stille im dunklen Hauswurde nur vom fernen, grunzenden Geschnarche seinesmassigen Vetters Dudley gestört. Es musste sehr spät sein.
Harrys Augen juckten vor Müdigkeit. Vielleicht sollte er denAufsatz besser morgen Nacht fertig schreiben ...
Er schraubte das Tintenfass zu, zog einen alten Kissenbezugunter dem Bett hervor, steckte die Taschenlampe, die Geschichteder Zauberei, Aufsatz, Feder und Tinte hinein, stieg aus demBett und versteckte die Sachen unter einem losen Dielenbrettunter dem Bett. Dann richtete er sich auf, streckte sich und warfeinen Blick auf das leuchtende Zifferblatt des Weckers auf demNachttisch.
Es war ein Uhr morgens. Harrys Herz machte einen kleinenHüpfer. Eine Stunde schon war er, ohne es bemerkt zu haben,dreizehn Jahre alt.
Doch ein weiterer ungewöhnlicher Zug an Harry war, dasser sich so wenig auf seine Geburtstage freute. Noch nie imLeben hatte er eine Geburtstagskarte bekommen. Die Dursleyshatten seine letzten beiden Geburtstage völlig ignoriert und erhatte keinen Grund zu erwarten, dass es diesmal anders seinwürde.
Harry ging durch das dunkle Zimmer, vorbei an Hedwigsgroßem, leerem Käfig, hinüber zum offenen Fenster. Er lehntesich gegen den Fensterrahmen und nach so langer Zeit unter der Bettdecke strich die kühle Luft angenehm übersein Gesicht. Hedwig war jetzt schon zwei Nächte lang weg.
Harry sorgte sich nicht ihretwegen; sie war schon öfter so langefort gewesen, doch er hoffte, sie bald wieder zu sehen -immerhin war sie das einzige Lebewesen in diesem Haus, dasbei seinem Anblick nicht zusammenschreckte.
Harry, wenn auch immer noch recht klein und mager fürsein Alter, war im letzten Jahr um ein paar Zentimeter gewachsen. Sein rabenschwarzes Haar jedoch war wie immer -widerborstig verstrubbelt, da konnte er machen, was er wollte.
Die Augen hinter seiner Brille waren hellgrün und auf der Stirn,durch die Haare deutlich zu sehen, hatte er eine schmale Narbe,die aussah wie ein Blitz.
Unter all den ungewöhnlichen Merkmalen Harrys war dieseNarbe wohl das außergewöhnlichste. Sie war nicht, wie dieDursleys jahrelang geschwindelt hatten, das Überbleibsel einesAutounfalls, bei dem Harrys Eltern umgekommen seien. Lilyund James Potter waren nicht bei einem Unfall gestorben. Siewurden ermordet, ermordet von Lord Voldemort, demgefürchtetsten schwarzen Magier seit Hunderten von Jahren.
Harry war diesem Angriff mit nichts weiter als einer Narbe aufder Stirn entkommen, wobei Voldemorts Fluch, anstatt ihn zutöten, gegen seinen Urheber zurückgeprallt war. Voldemort, fastzu Tode entkräftet, war geflohen ...
Doch Harry war ihm in Hogwarts wieder begegnet.