Eigentlich war die BRAVO ein Magazin für Erwachsene, eine Zeitschrift für Film und Fernsehen, als die erste Ausgabe am 26. August 1956 erschien. Doch über die Diskussionen um Moral im Kino entdeckten die Macher bald ihr Herz für die Jugend - und für Aufklärungsthemen.
Sein Fähnchen nach dem Wind zu hängen - das muss nicht unbedingt charakterlos sein. Und dumm schon gleich gar nicht. Es kann ein Konzept sein. Ein kluges und erfolgreiches sogar. Zum Beispiel wenn man etwas verkaufen will: eine Zeitschrift.
Schafft man es, die länger als ein halbes Jahrhundert erfolgreich zu verkaufen und dabei immer wieder heiß diskutiert zu werden – dann Hut ab! Die Macher von BRAVO haben das geschafft. Angefangen haben sie damit am 26. August 1956. Mitten drin im deutschen Wirtschaftwunder. Damals hieß ihr voller Titel noch "BRAVO - Zeitschrift für Film und Fernsehen". Und so sah die erste Ausgabe auch aus: Oben stechen die fünf dicken schwarzen BRAVO Buchstaben heraus aus leuchtendem Gelb. Darunter ist die Titelseite knallrot und vier Fotos aus aktuellen US-amerikanischen Kino-Produktionen sind darauf montiert. Nachkoloriert, versteht sich. Denn Filme waren zumeist schwarz-weiß. Marilyn Monroe lacht uns üppig entgegen, ein düsterer Ganove erschießt aus einer Pistole quer über die Titelseite einen zu Boden fallenden Anzugträger, und Richard Widmark ist als Westernheld drauf und dran eine dunkelhaarige Schöne zu küssen.
BRAVOs Zielpublikum waren damals noch erwachsene Leser. Alle, die an Filmstars interessiert waren. Nicht dumm, denn das Kinopublikum war damals riesig. Mehr als 800 Millionen Kinokarten wurden 1956 verkauft. Und die Auflage von BRAVO, die mit 30.000 Heften startete, konnte nach einem Jahr verdoppelt und nach zwei Jahren sogar vervierfacht werden.
Dabei schien das Rezept des Magazins gar nicht kompliziert: Im Wochenrhythmus lieferte das fünfköpfige Redaktionsteam seinen Lesern Starfotos, einen Fortsetzungsroman und Informationen für die ganze Familie. Oft in eben der Frageform, in der das Thema in Familien diskutiert wurde: "Waschmaschine oder Hochzeitsfeier?", „Zahlt sich eine Lehre noch aus?", gern wird auch der Kommentar eines Stars zu aktuellen Themen präsentiert. Schon in der ersten Ausgabe verteidigt Filmstar Richard Widmark die Western-Fans, die ins Gerede gekommen sind:
"Die beliebte Behauptung, der ‚Western’ trage wesentlich zur Verrohung unserer Jugend bei, ist ein sehr bequemes Märchen. Gewiss, es geht rau her, es wird geboxt und geschossen. Aber wo wäre die Moral simpler und durchschaubarer? Das Gute siegt, das Böse unterliegt. Und noch nie ist einer Schurke geworden, weil er in seiner Jugend Karl May gelesen hat."
Ganz klar, hier wird bei Erwachsenen um Verständnis für die Jugendlichen geworben. Und die BRAVO wechselte ihren Untertitel dann auch schon nach einem halben Jahr in "Die Zeitschrift mit dem jungen Herzen". Aber so richtig ins Visier nahmen die BRAVO-Macher die jungen Leute erst zu Beginn der 1960er Jahre.
Da wurden die Leser in den Artikeln immer häufiger geduzt, und mit dem "Knigge für Verliebte" begann endlich die ruhmvolle Ära der Aufklärungs-Geschichten. Für die wurde die BRAVO bei der jeweiligen Erwachsenen-Generation mindestens so berüchtigt, wie beliebt bei den ständig nachwachsenden Jugendlichen.
Natürlich hat BRAVO nicht bloß ihr Fähnchen nach dem Wind gehängt, indem sie den Moralkodex nach dem jeweiligen Zeitgeist gewählt hat, die Stars nach den Moden wechselte und den Schreibstil natürlich auch. Als größtes Jugendmagazin Europas hat das Heft dabei einfach die Nase vorn. Was soll man sagen? Bravo!